
Tipps vom Zen-Mönch: So stoppen wir das Grübeln

So viel zu tun. So viel, an das du denken, um das du dich kümmern musst. Soviel Stress, Frust, Wut. Wo ist da noch Raum für Self-Care? Dazu kann dir Haemin Sunim was sagen. Er ist Zen-Mönch und Buchautor in New York, mit 1,3 Millionen Followern und sagt: Ändere deinen Blickwinkel!
Die Tage sind oft so voll, dass es nicht leicht ist, zur Ruhe zu kommen. Und auch wenn wir alle inzwischen gehört haben, dass Meditation helfen soll, fühlt sich das schnell wie noch eine weitere Aufgabe an.
Wer noch nie oder nur selten meditiert hat, versucht es am besten in einem Moment, in dem man sich ganz gelassen fühlt. Egal, ob morgens, abends oder sogar in der Mittagspause. Suchen Sie sich einen Ort, an dem Sie ungestört sein können. Zehn Minuten reichen erst mal völlig aus. Sie werden merken, dass Ihre Gedanken leiser werden und sich Zufriedenheit aufbaut. Wenn die Gedanken und das Herz friedlich sind, wird es einfacher, die Umstände so anzunehmen, wie sie sind.
Aber es gibt doch Situationen, die einen aus der Bahn werfen, in denen die Gedanken nicht zur Ruhe kommen.
Das ist völlig okay. Versuchen Sie aufmerksam zu sein: Wie fühlen Sie sich? Wütend, enttäuscht, zerrissen? Diese Einsicht ist ein Schlüsselmoment. Um sich zu beruhigen, hilft es, erst mal bewusst zehnmal tief ein- und auszuatmen. Das funktioniert von ganz allein, da muss sich der Verstand nicht einmischen, und Sie kommen wieder im Hier und Jetzt an. Das schafft die nötige Distanz, um auf das Wesentliche in jeder noch so überraschenden Situation zurückzukommen. In den allermeisten Fällen stresst uns nicht der Fakt an sich, sondern die Gefühle, die hervorgerufen werden.
Unsere Gefühle?
Ja, die führen ein Eigenleben. Und das ist gut so, weil sie uns zeigen, wann, wo und mit wem wir uns wohlfühlen, oder wo wir etwas verändern sollten oder an uns arbeiten sollten. Frustration ist eine der größten Motivationsquellen. Aber wenn wir etwas kaum akzeptieren können, werden sie destruktiv. Deshalb ist es so wichtig, sie zu erkennen – und anzuerkennen, um zu lernen, ihnen nicht so viel Macht zu geben. Sie sind im Grunde wie Wolken am Himmel: Sie ziehen plötzlich auf, zeigen sich in einer konkreten Form. Guckt man zwei Minuten später hin, sehen sie vielleicht schon ganz anders aus. Den gleichen Effekt spüren wir nach zehn Atemzügen.
Heißt das, wir sollten versuchen, Abstand zu unseren Gedanken zu gewinnen; auf die Gefühle sollten wir uns dagegen einlassen? Macht das die belastende Situation dann nicht noch schmerzhafter?
Lassen Sie sich auf dieses Gefühl ein. Tauchen Sie komplett in die Traurigkeit, Leere, Wut oder Angst ein. Das kann im ersten Moment ziemlich schwer sein. Durch die Konfrontation werden Sie aber garantiert an einen Punkt kommen, an dem Sie nicht mehr weinen können. Es ist extrem wichtig, diesem Gefühl Ausdruck zu verleihen – es auszuleben. Und überraschenderweise ist genau das sehr befreiend. Wenn zwei Boxer sich im Kampf ausruhen, stehen sie ganz nah. Das machen sie, weil von dort aus am wenigsten passieren kann. Ist der Abstand größer, vergrößert sich auch die Gefahr, schmerzhaft getroffen zu werden.
Wie gehe ich damit um, wenn die Macken meines Partners mich nerven oder meine Tante mich bevormundet?
Ich sehe immer wieder, dass die Leute unglücklich und frustriert sind, weil sie andere kontrollieren wollen, ihr Kind, den Partner oder die Partnerin, das Verhalten anderer ... Das ist aber nur sehr schwer zu schaffen. Ich rate immer allen: Investiere deine Energie lieber darin, mit dir selbst im Frieden zu sein.
Also alles eine Frage unserer Einstellung?
Ja. Wenn wir friedlicher sind, sind wir auch zufriedener. Sind unsere Gedanken sanft und leise, nehmen wir die Welt friedlicher wahr. Ist die innere Welt aber voller Wut, Traurigkeit und Frustration, wird das auch zum Spiegel des Alltags.
Wieso ist es so schwer, sich mit etwas abzufinden, das alles andere als perfekt ist?
Was perfekt ist oder gut läuft, ist sehr subjektiv. Und wenn wir unsere unperfekten Seiten zeigen, kann ich fast garantieren, dass die Leute uns noch mehr mögen. Wenn Sie krampfhaft versuchen, es allen recht zu machen, wird Ihre Mühe vielleicht anerkannt. Aber wenn Sie sich zeigen, wie Sie sind, merken die anderen: Oh wow, die ist ja wie ich. Zu den eigenen „Fehlern“ zu stehen, erlaubt uns, Leuten real zu begegnen.
Wenn es mir schwerfällt, die Dinge zu akzeptieren, wie sie sind, gibt es noch einen anderen Erste-Hilfe-Tipp?
Ja, dem inneren Kritiker ein Lächeln zu schenken, wann immer er uns weismachen will, dass etwas an uns nicht gut ist. Auch als Erwachsene hören wir manchmal noch die Stimme des strengen Vaters oder der Mutter, sogar wenn sie nicht mehr leben, und plötzlich haben wir einen Satz im Kopf wie: „Du bist nicht gut genug.“ Wenn das passiert, lächeln Sie und sagen sich: „Oh, da bist du ja wieder, dich kenne ich schon. Danke für diese selbstkritische Botschaft, ich weiß, du wurdest von meinen Eltern geschickt.“
Und das klappt einfach so?
Regelmäßigkeit hilft. Jeden Tag drei Dinge aufzuschreiben, für die man dankbar ist, ist der einfachste Weg, sich neue Perspektiven anzueignen. Denn Sie fangen an, viel mehr schöne Dinge wahrzunehmen, weil Sie unbewusst danach Ausschau halten.
Und was hilft gegen grübeln?
Zu viel über eine Sache nachzudenken, bedeutet: sich Sorgen zu machen, Angst zu haben – und immer in der Zukunft zu sein. Sagen Sie bewusst laut: „Mein liebes Herz, ich werde erst darüber nachdenken, wenn es tatsächlich so weit ist.“ Wenn wir ehrlich zu uns sind, sehen wir, dass wir uns oft Gedanken über etwas machen, das so niemals eintreffen wird.
In Ihrem Buch raten Sie auch, unliebsame Dinge mehr zu schätzen. Wieso?
Weil etwas Magisches passiert, wenn wir unsere Aufmerksamkeit verändern. Wenn Sie einer streunenden Katze aufmerksam begegnen, bekommen Sie Mitleid und nehmen sie auf. Zuerst finden Sie sie dreckig und widerspenstig. Aber wenn Sie sich um sie kümmern, wird diese Katze zur niedlichsten Katze der Welt. Wie wir etwas bewerten hängt immer davon ab, wie aufmerksam wir sind.