
Natürlich bist du gut genug!

Ungeliebte Jobs sind wie klapprige Gäule, meint Psychologe und Karriere-Coach Tom Diesbrock: Sie trotten vor sich hin, doch man kommt nicht voran. Aber wie schafft man es umzusatteln? Indem man an sich glaubt und alte Quälsätze in den Müll wirft. Ein Programm in drei Schritten
Herr Diesbrock, der Chef ist mies, das Gehalt karg, die Aufstiegschancen minimal – doch wir bleiben. Warum fällt es uns so schwer, uns von ungeliebten Jobs zu trennen?
Weil wir Angst vorm Scheitern haben – und vor dem Ungewissem. Das liegt in unseren Genen: Unbekanntes wertet unser Gehirn als Risiko. Evolutionär war das super, man wurde so weniger schnell zur Säbelzahntiger-Beute. Ein Stück weit ist diese Angst aber auch anerzogen. In den USA etwa jubelt zwar niemand über eine Pleite, aber man sieht den Misserfolg auch als Etappe und Chance zum Neustart. Wir dagegen reiten lieber weiter unsere toten Pferde.
Wir reiten tote Pferde?
Bildlich gesprochen führt unsere Angst dahin. Statt abzusteigen und mit aller Energie nach einem neuen, kräftigen Pferd zu suchen, glauben wir, dass es eben nicht anders geht. Und lassen uns von Menschen darin bestätigen, die wie wir in üblen Jobs festhängen. Dabei folgen wir nur Glaubenssätzen, die in Umbruchphasen unendlich hemmen.
Welche Sätze sind das?
Etwa: „Ich bin für was Neues doch viel zu alt.“ „Mich will eh keiner.“ „Ich habe nicht die Fähigkeiten dazu.“ Oder: „Andere sind eher der Unternehmer-Typ.“
Aber bei manchen Leuten klappt’s ja wirklich wie von selbst.
„Der kann’s, ich nicht“ – in diesen Schwarz-Weiß-Kategorien denken Kinder. Und hoffen auf Eltern, die alles richten, oder eine gute Fee. Im Gegensatz zu Kindern können wir Risiken und Chancen aber realistisch einschätzen und wissen, dass wir nach einer Kündigung nicht wirklich unter der Brücke landen. Denn mal ehrlich: Was könnte schlimmstenfalls passieren, wenn sich gut ausgebildete Menschen umorientieren? Selbst wenn jemand eine Zeit lang Taxi fahren muss – der Untergang wäre das nicht.
Welcher Leitsatz wäre denn besser?
Ein Klient sagte einmal: „Wenn mein kleiner Sohn mich später fragt, was ich mache, möchte ich etwas antworten können, worauf ich stolz bin.“ Das ist für mich ein guter Ansatz, um sich aus ungeliebten Situationen zu lösen.
Und wie weiß ich, ob ich wirklich kündigen soll?
Betrachten Sie den Weg zur Entscheidung als ein Projekt. Nehmen sich drei Monate Zeit, das ist meiner Erfahrung nach ein guter Zeitraum. Im ersten Monat sammeln Sie schriftlich mindestens zweimal in der Woche eine Stunde lang alle Ihre Interessen – notieren Sie sich die Termine dafür so verbindlich wie Ihren Sportkurs.
Und im zweiten Monat?
Beschäftigen Sie sich mit der Frage, welche Jobideen sich aus Ihren Interessen entwickeln lassen. Lassen Sie dabei keinesfalls Ihren inneren Zensor mitspielen! Tauchen Zweifel auf wie „Das ist doch idiotisch“, notieren Sie diese unkommentiert auf eine Bedenkenliste – oft hilft das schon. Eine Vertriebsmanagerin etwa, die nichts glücklicher macht, als Ski zu fahren, mit vielen Menschen zu arbeiten und Gartenfeste zu organisieren, könnte sich überlegen, Vertriebschefin bei einem Ski-Hersteller zu werden. Oder selbstständige Beraterin für Sportmessen. Oder Angestellte in einem Unternehmen in der Nähe der Alpen, sodass sie im Winter ohne großen Aufwand jedes Wochenende Ski fahren kann.
Was aber, wenn sie gerade nicht ganz so flexibel ist?
Das Thema „Umsetzung“ gehen Sie im dritten Monat an: Nehmen Sie sich fünf Ihrer Ideen genauer vor und überlegen, wie sich diese umsetzen ließen. „Gibt es diese Jobs überhaupt?“, „Was brauche ich dafür?“, „Wie kann ich mir die nötigen Fähigkeiten aneignen?“ – das sind dann die richtigen Fragen. Im besten Fall wissen Sie am Ende, welcher Job momentan am besten passt und wie Sie an ihn herankommen.
Und was tue ich, wenn nichts geht – etwa, weil ich mit der ganzen Familie umziehen müsste?
Dann ist wahrscheinlich auch die zweit- oder drittbeste Option immer noch besser als das tote Pferd. Und in zehn Jahren klappt’s auch mit der Lieblingsidee – bis dahin bilde ich mich so weit fort, dass ich dann lossprinten kann. Die Hauptsache ist, dass wir von den toten Pferden absteigen, Verantwortung für uns übernehmen. Wenn Sie Ihre Entscheidung drei Monate gut vorbereiten, tun Sie genau das. Und es wird Ihnen unter Garantie danach besser gehen. Selbst wenn Sie sich – erst mal – dafür entscheiden, im alten Job zu bleiben.
Der Hamburger Psychologe und Karriere-Coach Tom
Diesbrock hat ein Buch zum Thema geschrieben: „Ihr
Pferd ist tot? Steigen Sie ab!“ (Campus, 17,99 Euro)