Endlich besser schlafen! Ein Schlafmediziner verrät, wie das geht
17.04.2022
Jennifer Köllen
Nachts wach zu liegen ist scheußlich. Wie man endlich wieder gut schläft, sagt Schlafmediziner Dr. Michael Feld. Etwa durch Meditation, Soundkissen – und Kochsendungen.
Herr Feld, überall hört man Menschen über Schlafprobleme klagen. Man könnte fast meinen, wir schlafen heute besonders schlecht. Ist das so?
Michael Feld: Ja. Und das hat auch mit der modernen Gesellschaft zu tun.
Inwiefern?
Unser Berufsleben ist heute stressiger als etwa in den 80er-Jahren. Wir müssen in weniger Zeit mehr leisten. Und dann die ständige Erreichbarkeit – da fällt es schwer abzuschalten.
Ja, selbst wenn man mal Zeit hat, gelingt es nicht immer runterzukommen.
Das ist kein Wunder. Stellen Sie sich vor, Ihr Gehirn ist ein Motor in einem superschnellen Sportwagen. Der wird natürlich heißer als der in einem Golf. Also muss man ihn auch länger runterkühlen, damit man ihn ausschalten kann. Genauso müssen Sie Ihren Kopf langsam runterkühlen, um schlafen zu können. Zum Beispiel mit Yoga, Meditaion oder Muskelentspannung.
Ist nur der Job schuld daran, dass wir schlechter schlafen? Oder auch unser Privatleben? Haben sich unsere Beziehungen ebenfalls so verändert, dass sie für schlaflose Nächte sorgen?
Das ist tatsächlich so. Unsere sozialen Bindungen sind heute lockerer und nicht mehr so stabil. Durch die flexiblen Lebensverhältnisse haben manche Menschen ihre Freunde und ihre Familie in München, den Job aber in Hamburg, und den Partner womöglich in Berlin. Es fehlt die Konstante. Dabei brauchen wir Menschen Sicherheit. Vor allem die soziale, also einen festen Freundeskreis oder eine Beziehung, damit uns die Angst vor dem Alleinsein genommen wird. Da diese Sicherheit heute häufig wegfällt, leiden immer mehr Menschen unter Ängsten. Und die kommen besonders nachts hoch, sodass man dann wach liegt.
Aber verglichen mit anderen Zeiten, zum Beispiel während des Krieges, geht es uns doch heute richtig gut. Warum machen wir uns so einen Kopf?
Weil wir unsere Probleme als wirklich gravierend empfinden. Unser Gehirn ist so strukturiert, dass es ständig Konflikte und Probleme lösen will. Und wenn wir keine haben, schafft es welche.
Heißt das, Schlaflosigkeit und Schlafstörungen sind Luxusprobleme?
Ein bisschen schon. Denn wie gut oder schlecht es mir geht, hängt nicht nur von Umweltfaktoren ab, sondern immer auch davon, wie ich mich und mein Leben einschätze. Etwa 50 Prozent aller Schlafstörungen haben psychische Ursachen, etwa Angst oder Stress, oder körperliche Gründe wie Schnarchen, Schlafapnoe oder Unruhige Beine. Die anderen 50 Prozent hängen von der Bewertung unserer Probleme ab. Wer alles etwas lockerer nimmt, schläft besser als jemand, der sein Leben als problembelastet bewertet. Was auch noch interessant ist: Kontrollbedürftige Menschen schlafen schlechter. Weil es sie nervös und unruhig macht, dass sie den Schlaf nicht steuern können.
Wenn unsere Psyche den Schlaf beeinflusst, funktioniert das dann auch umgekehrt?
Also, kann jemand nicht schlafen, weil er gestresst ist, oder ist er gestresst, weil er schlecht schläft? Natürlich leidet die Psyche, wenn man über längere Zeit zu wenig schläft. Man ist gereizt, die Nerven liegen blank.
Wie viel Schlaf brauchen wir denn?
Das ist unterschiedlich. Es gibt Menschen, die nur fünf Stunden Schlaf brauchen, um sich zu erholen. Aber das sind nur wenige, vielleicht zehn Prozent der Bevölkerung. Genauso viele müssen richtig lange schlafen, etwa zehn Stunden. Das ist veranlagungsbedingt. Der Durchschnitt braucht sieben bis acht Stunden, um sich tagsüber fit zu fühlen.
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Schnarchen schwächt die Potenz!
Stimmt es, dass Frauen schlechter schlafen als Männer?
Ja. Die Natur hat es so geregelt, dass Frauen einen leichteren Schlaf haben, damit Mütter schneller wach werden, wenn das Baby schreit. Gemein ist allerdings, dass alle Frauen betroffen sind – auch solche, die keine Kinder haben. Und dann kommt noch hinzu, dass Frauen oft wegen ihrer Männer schlecht schlafen.
Sie meinen, weil viele Männer schnarchen? Woran liegt das eigentlich?
Daran, dass bei Männern die Rachenmuskeln im Schlaf stärker erschlaffen als bei Frauen.
Aber es gibt auch Frauen, die schnarchen.
Ja, nehmen wir die Altergruppe über 40. Da schnarcht jeder zweite Mann und jede siebte bis achte Frau. Ab 65 Jahren schnarchen beide Geschlechter gleich viel und gleich laut.
Was kann man dagegen tun?
Zum Beispiel versuchen, nicht auf dem Rücken zu liegen. Was Schnarchen außerdem noch verstärken kann: Alkohol, schweres Essen, Übergewicht, eine verengte Nase. Am besten ist es, wenn man das mit einem Arzt klärt. Männer sollten übrigens auch deshalb etwas gegen ihr Schnarchen tun, weil es ein Grund für Potenzschwierigkeiten sein kann.
Tatsächlich? Warum?
Penisgefäße sind sensibel für Atemstress. Oft haben Männer wieder eine härtere Erektion und auch mehr Lust, wenn sie nicht mehr so viel schnarchen.
Wie wichtig ist Sex für guten Schlaf?
Sex fördert den Schlaf, weil die Glückshormone entspannen, die bei gutem Sex ausgeschüttet werden. Er sollte aber nicht immer zu sportlich hergehen, denn Sport kann wieder wach machen.
Einmal nachts aufgewacht, fällt es vielen Menschen schwer, wieder einzuschlafen. Warum?
Entspannte Menschen schlafen im Normalfall gleich wieder ein. Auch wenn sie kurz aufstehen und aufs Klo gehen. Kontrollbedürftige Menschen, die ihre Probleme schwerer bewerten, fragen sich hingegen: Warum bin ich jetzt schon wach? Sie bauen sich so lange Druck auf, bis sie gar nicht mehr schlafen können. Um das Wachwerden entspann-ter zu sehen, ist es gut zu wissen, dass jeder Mensch nachts bis zu 20 Mal aufwacht. Wir können uns nur meist nicht daran erinnern, weil es nur kurz andauert. Also: Nicht darüber grübeln, warum Sie schon wieder aufgewacht sind. Das ist ganz normal!
Weshalb wachen wir nachts so oft auf?
Die Natur hat das häufige kurze Wachwerden eingerichtet, weil es in der Steinzeit viel zu gefährlich war, durchzuschlafen. Es gab Raubtiere, Feuer, jede Menge Bedrohungen. Bei den Naturvölkern ist das oft heute noch so. Da wechselt man sich mit der Nachtwache a, schläft nur stundenweise. Bei uns gibt es aber keine Löwen im Schlafzimmer, vor denen wir uns schützen müssen. Also: keine Panik!
Tipps für guten Schlaf
Und locker bleiben, wenn’s mit dem Schlaf mal nicht klappt?
Genau! Denn je unbedingter wir einschlafen wollen, desto verkrampfter sind wir. Dann klappt es erst recht nicht. Das ist wie beim Sex. Denn der Parasympathikus ist der Teil des Nervensystems, der sowohl für Schlaf sorgt als auch für die männliche Erektion. Aber eben nur, wenn ein Mann sich keinen Druck macht. Also: auf allen Gebieten keinen Stress im Bett! Der macht’s nur schlimmer.
Das ist leichter gesagt als getan. Ich kann doch nicht auf Knopfdruck locker werden.
Vielen hilft Meditation, Sport, Sauna oder autogenes Training. Dann gibt es noch die Lichttherapie, die vor allem bei den Leuten anschlägt, die einen wechselhaften Tag-Nacht-Rhythmus haben.
Wie sieht diese Lichttherapie aus?
Da gibt es verschiedene Methoden: Meistens geht "Bright Light" über das Auge, neu ist "Valkee", eine Art iPod, der uns über Kopfhörer Licht in die Ohren strahlt (siehe Kasten "Schlafhelfer", rechts). Was noch hilft, ist Höhenluft, weil sie entspannend auf das vegetative Nervensystem wirkt. Wenn man eine Stunde an einem dafür bestimmten Gerät reine Höhenluft einatmet, lässt der Körper los.
Sie sagen, man müsse dem Vogel der Nacht ein nettes Nest bauen, damit er sich gern hineinlegt. Ein schönes Bild. Wie sieht dieses Nest aus?
Es vereint alle Faktoren, die uns Geborgenheit schenken, das Nervensystem runterfahren, den Körper auf die Nacht vorbereiten. Man sollte das Licht dimmen und es sich gemütlich machen. Damit man sich warm, geborgen und sicher wie in einem Nest fühlt.
Und was halten Sie von Medikamenten?
Zur Überbrückung sind chemische Schlafmittel einige Wochen lang durchaus sinnvoll. Damit man erst mal wieder auf den Damm kommt, wenn man eine schwierige Phase hat und dringend Schlaf braucht. Natürlich muss das ein Arzt im Auge behalten.
Emotion: Was sind die neuesten Einschlaftricks der Forschung?
Im Moment die sogenannten Soundkissen mit integrierten Boxen. Die spielen ganz leise „binaurale Beats“ ab. Das sind Beats, die nicht im Ohr durch die Überlagerung von Schallwellen entstehen, sondern im Gehirn (siehe Kasten „Schlafhelfer“). Diese Töne stimulieren unsere Schlaf-Hirnwellen.
Klingt komisch. Hilft das tatsächlich?
Ja. Aber nur, wenn einen die Klänge nicht nerven. Das muss man ausprobieren. Was dem einem hilft, kann für den anderen verkehrt sein.
Ordnung und Sicherheit in sein Leben bringen, brächte auch was, sagten Sie am Anfang.
Richtig. Die Seele braucht Rituale. Versuchen Sie, sich feste Zubettgeh- und Aufstehzeiten anzugewöhnen. Man muss quasi beides sein: der Vater, der sagt, „Du gehst jetzt ins Bett, ohne Widerspruch.“ Und das Kind, das folgt. Nachtruhe braucht feste Regeln.
Es heißt immer, Fernsehen kurz vor dem Einschlafen sei schlecht. Doch vielen hilft genau das beim Abschalten.
Ja, Fernsehen ist für manche Leute in Ordnung. Aber es gilt: Je monotoner die Sendung, desto besser. Deswegen sind Kochsendungen abends auch so beliebt. Weil sie unglaublich öde sind. Wenn wir uns ansehen, wenn einer gemächlich eine Gurke schneidet, werden wir natürlich müde. Alles, was langweilig und monoton ist, funktioniert. Auch Schäfchenzählen.
Schäfchen zu zählen haben wir schon als Kinder gelernt. Wie schläft eigentlich ein Schaf?
Sicher gut, weil es sich keine Gedanken macht und meistens keinen Stress hat. Der Mensch ist viel komplexer. Wir gehen abends ins Kino, ins Theater oder in eine Bar. Dadurch, dass wir so kulturell geworden sind, haben wir all diese Möglichkeiten, unser Leben kunterbunt zu gestalten. Das ist wunderbar für unser Freiheitsbedürfnis. Aber es ist eben nicht wirklich gut für unseren Schlaf.