Eigentlich wollte Birte Meier nur so viel verdienen wie ihre männlichen Kollegen. Mittlerweile führt die TV-Journalistin seit Jahren einen Rechtsstreit, in dem es ihr um mehr geht als um ihren Verdienst. Sie will Lohngerechtigkeit für Frauen. Lange hat sie öffentlich zu ihrem Fall geschwiegen. Jetzt hat sie ein Buch darüber geschrieben – und uns ein Interview gegeben.
Vor acht Jahren hat die TV-Journalistin Birte Meier ihren damaligen Arbeitgeber, das ZDF, verklagt. Sie hatte herausgefunden, dass sie deutlich schlechter bezahlt wurde als männliche Kollegen mit gleichem Status, gleichem Aufgabenspektrum und sogar geringerer Berufserfahrung. Der Rechtsstreit läuft noch. In ihrem Buch beschreibt sie, welche Erfahrungen sie und andere Frauen machen, wenn sie sich gegen ungleiche Bezahlung wehren. Seit Jahrzehnten lässt die Politik Frauen hierzulande im Stich. Auch deshalb führt Birte Meier diesen Rechtsstreit stellvertretend für viele. Mit ihrer Klage und ihrem Durchhaltevermögen hat sie Equal Pay zu ihrem Thema gemacht und dem Kampf für Lohngerechtigkeit eine starke Stimme verliehen.
"Hinter dem Begriff Lohnlücke oder Gender Pay Gap verbirgt sich der wohl größte Lohnraub in der Geschichte der Bundesrepublik."
Die TV-Journalistin Birte Meier erzählt in "Equal Pay Now!" ihre persönliche Geschichte, die über ihre Person hinausreicht. Denn den Rechtsstreit für gleichen Lohn führt sie stellvertretend für viele. Mit vielen Praxistipps für diejenigen, die gleich bezahlt werden wollen.
Birte Meier ist heute Chefreporterin Investigativ bei RTL News. Zuvor arbeitete sie viele Jahre für das ZDF. Ihre Filme und Recherchen wurden mit Journalistenpreisen ausgezeichnet.
"Equal Pay Now!" (Goldmann, 16€) ist am 1. März erschienen.

Die Hoffnung, dass der Gender Pay Gap von selbst zusammenschrumpfen und schon bald verschwinden könnte, ist angesichts aktueller Zahlen vergebens: Die Lohnlücke wird einfach nicht kleiner. Noch immer verdienen Frauen 18 Prozent weniger. Pro Stunde sind es durchschnittlich 20,05 Euro für Frauen und 24,36 Euro pro Männer. Auch in den Vorjahren hatte das Statistische Bundesamt den Gender Pay Gap auf 18 Prozent beziffert. Die Gründe sind auch geblieben: Frauen arbeiten öfter in Teilzeit und übernehmen den Löwenanteil der unbezahlten Care-Arbeit für die Familie. Sie sind häufiger in Branchen, Berufen und auf Anforderungsniveaus beschäftigt, in denen die Vergütung geringer ist. Die restliche Lücke, die durch diese Faktoren nicht zu erklären ist, nennen die Statistiker:innen "bereinigten Gender Pay Gap". Er liegt bei sieben Prozent.
EMOTION: Der sogenannte bereinigte Gender Pay Gap ist gar nicht so groß. Was sagt uns das?
Birte Meier: Es geht hierbei nicht nur um Zahlen, auch um fehlende Wertschätzung und schlicht die Unverschämtheit, für die gleiche Arbeit schlechter bezahlt zu werden! Ich halte es mit dem Satiriker John Oliver, der zu diesem Thema einmal sagte: If someone takes a dump on my desk, the size of the dump is not the issue. – Wenn mir jemand einen Haufen auf den Schreibtisch setzt, ist nicht die Größe dieses Haufens das Problem.
Und: Dieser bereinigte Gender Pay Gap sagt wenig über die individuelle Benachteiligung von Frauen aus. Mehrere hundert Euro – so hoch war die Lohnlücke bei vielen der Frauen, mit denen ich gesprochen habe. Nun stellen Sie sich vor, wie sich dieser Unterschied auf Ihr Leben auswirken würde – auf Ihre Unabhängigkeit, auf ihre Lebensentscheidungen. Wenn man mal 500 oder 1000 Euro im Monat auf ein Erwerbsleben hochrechnet, können da am Ende Summen im Wert von ein bis zwei Eigentumswohnungen herauskommen, die uns Frauen entgehen. Das bedeutet neben niedrigeren Renten auch entscheidende Möglichkeiten für die Altersvorsorge und die Vermögensbildung, die uns verwehrt werden.
In welchen Punkten ist Deutschland beim Thema Equal Pay so besonders rückständig und woran liegt das?
Bis heute haben wir immer noch kein wirksames Gesetz. Also eines, das die Arbeitgeber in die Pflicht nimmt und auch sanktioniert, wenn sie dieser nicht nachkommen. Hier fühlt sich die Politik offensichtlich seit Jahrzehnten der Wirtschaftslobby mehr verpflichtet als ihren Wählerinnen und dem Grundgesetz. Anders lässt sich das nicht erklären. So sind Frauen weiterhin auf sich allein gestellt, wenn sie ihr Recht auf gleiche Bezahlung durchsetzen wollen. Noch nicht einmal das Verbandsklagerecht hat die Ampelkoalition bislang auf den Weg gebracht, obwohl es im Koalitionsvertrag verabredet ist. Dabei würde es Frauen den Weg vor Gericht erleichtern, wenn Antidiskriminierungsverbände oder Gewerkschaften an ihrer Stelle klagen könnten.
"In so einer Gemengelage können Firmen in aller Seelenruhe weiterhin den Profit für sich einstreichen, wenn sie Mitarbeiterinnen übervorteilen."
Da verständlicherweise nur wenige Frauen die Lust oder auch die Kraft haben, einen jahrelangen Rechtsstreit durchzustehen, bleibt das Thema in der öffentlichen Debatte unterbelichtet. Manche Auseinandersetzungen enden mit billigen Vergleichen und Verschwiegenheitsvereinbarungen. Und so fehlen die Geschichten darüber, welche gigantischen Hürden Frauen überwinden müssen, die einfach nur gleich bezahlt werden wollen – und an welchen Details genau der Gesetzgeber nachbessern muss. Verstärkt wird dies durch längst überholte Rollenzuschreibungen, die sich in Deutschland erstaunlich hartnäckig halten. In so einer Gemengelage können Firmen in aller Seelenruhe weiterhin den Profit für sich einstreichen, wenn sie Mitarbeiterinnen übervorteilen.
Sie haben sich lange Zeit nicht öffentlich zu der juristischen Auseinandersetzung mit dem ZDF geäußert. Nun aber das Buch. Wie kam es dazu?
Ich wollte kein öffentliches Schmierentheater, sondern mein Recht. Dass das so lange dauert, damit hätte ich nicht gerechnet. Mittlerweile, da ich mich einmal bis zum Bundesverfassungsgericht durchgeklagt habe und wieder von vorne anfangen muss, bin ich um einige Rechercheergebnisse und Erfahrungsberichte anderer Frauen reicher. Es geht mir also längst nicht mehr um meine persönliche Geschichte, sondern um einen handfesten gesellschaftspolitischen Skandal. Und darüber bin ich nicht mehr bereit zu schweigen.
Die juristische Auseinandersetzung läuft seit Jahren, Ende offen. Würden Sie sich mit dem Wissen von heute wieder auf den Klageweg machen?
Ich hätte nie geglaubt, dass der Klageweg so absurd verläuft. Aber ja, ich würde es wohl wieder machen. Zum einen tue ich mich als Journalistin, die sich beruflich mit gesellschaftlichen Missständen befasst, schwer, diese privat einfach auszublenden. Zum anderen: Welche Alternative gibt es denn? Wenn ich den dringenden Verdacht hege, aufgrund des Geschlechts schlechter bezahlt zu werden – wie will ich denn in derselben Firma weiterarbeiten, ohne wenigstens zu versuchen, diese Ungerechtigkeit zu beenden? Damit lebt man ja nicht fröhlich weiter. Den anderen Klägerinnen habe ich diese Frage auch gestellt. Auch sie würden es wieder tun, trotz allem. Es geht dabei ja nicht nur ums Geld, sondern auch um Selbstachtung.
"Hören Sie auf, nett zu sein!"
Ihr wichtigster Tipp, was Frauen tun können, die sich bei der Bezahlung diskriminiert fühlen?
Hören Sie auf, nett zu sein! Gleiche Bezahlung ist kein Nice-to-have, sondern Ihr Grundrecht!
Können Sie anderen Frauen wirklich dazu raten, den zermürbenden Klageweg mit all den Schikanen zu gehen?
In den vergangenen Jahren hat ein kleiner Kreis hartnäckiger Frauen wichtige Grundsatzurteile erstritten, sodass das Klagen schon ein bisschen leichter werden sollte. Aber der gesamte Weg bleibt natürlich ein unzumutbarer – es beginnt ja schon mit dem, was Frauen in ihrer Firma erleben, wenn sie es wagen, die Gehaltsstruktur zu hinterfragen. Darum wird es höchste Zeit, dass der Gesetzgeber endlich aufhört zu kneifen.
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