Wie wir mit Geld umgehen, wird oft schon in der Kindheit geprägt. Aber das ist uns häufig nicht bewusst. Die Soziologin Birgit Happel erklärt uns, warum wir unsere Geldbiografie kennen sollten.
Manche Menschen sind extrem spendabel, anderen tut es fast körperlich weh, Geld auszugeben. Die eine kann sich beim Shopping kaum bremsen, die andere gönnt sich nichts. Extreme tun uns häufig nicht gut. Aber warum fällt es uns so schwer, Verhaltensweisen zu ändern – gerade, wenn es ums Geld geht?
Ein Grund, hat Birgit Happel herausgefunden, liegt in unserer Geldbiografie, die wir uns nicht ausgesucht haben, die uns aber nicht loslässt. Die Soziologin und Finanzexpertin erforscht, wie unsere Lebensgeschichte unseren Umgang mit Geld prägt.
finanzielle: Die Biografie ist eine Beschreibung des Lebens einer Person. Was aber ist eine Geldbiografie?
Birgit Happel: Geldbiografien spiegeln das Zusammenspiel unseres Umgangs mit Geld mit unserer Lebensgeschichte und drücken unsere Werte aus. Sie sind das Ergebnis unserer Geldsozialisation und unseres Handelns. Unsere Eltern sind unsere Vorbilder, unsere Sozialisationsagenten. Wir sind geprägt durch ihre Werte und ihren Umgang mit Geld.
Das heißt, unser Umgang mit Geld wird schon im Elternhaus vorgeprägt?
Ja. Aber es gibt keinen kausalen Zusammenhang. Wenn der Vater oder die Mutter verschwenderisch ist, dann heißt das nicht, dass das Kind das eins zu eins übernimmt. Das kann sogar eher eine Warnung sein, sehr vorsichtig und umsichtig mit Geld umzugehen.
Wie das?
Gerade wenn existenzielle Bedrohungen in der Kindheit erlebt wurden wie zum Beispiel eine Überschuldungssituation, dann ist das ein Warnsignal. Für meine Studie Geld und Lebensgeschichte habe ich biografische Interviews geführt. Eine Frau hat sich daran erinnert, dass in ihrem Elternhaus laufend der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand. Das war für sie als Kind so traumatisch, dass sie eine andere Einstellung entwickelt hat und besonders umsichtig mit Geld umgeht. Es gibt aber auch den umgekehrten Fall, dass ungünstiges oder sogar selbstschädigendes Verhalten von zu Hause übernommen wird.
Also löst das Verhalten der Eltern direkt bestimmte Verhaltensweisen beim Nachwuchs aus?
Ja, aber auch indirekt. In der Geldbiografie gibt es einen Aneignungs- und Lernprozess. Wir alle hören im Elternhaus bestimmte Geldbotschaften. Das können auch unausgesprochene, implizite Geldbotschaften sein. Dinge wie: Sparen ist eine Tugend, Kredite sind gefährlich, Aktien sind Zockerei oder ein Haus zu bauen ist ein Lebenstraum. Diese Botschaften nehmen wir aus unserem Elternhaus mit und sie beeinflussen uns bewusst oder unbewusst. Bin ich bereit, einen Kredit aufzunehmen? Kommt es für mich in Frage, eine Immobilie zu erwerben? Kann ich mir etwas gönnen? Unser Umgang mit Geld wiederum stellt Weichen, die Lebensentscheidungen bestimmen und von denen Lebensentscheidungen abhängen. Das hat auch gar nicht immer damit zu tun, ob man Geldsorgen hat oder nicht.
Menschen leiden auch unter ihrem Umgang mit Geld, wenn sie genug davon haben?
Ja, auch sehr wohlhabende Menschen können unter ihrem Umgang mit Geld leiden. Zum Beispiel, wenn sie unsicher bei ihren Anlageentscheidungen sind. Oder auch, wenn sie sehr knauserig sind. Die können sich dann fragen: Warum brauche ich immer so einen hohen Betrag auf meinem Konto für mein persönliches Sicherheitsgefühl? Wenn man sich nichts gönnen kann, ist man auch unglücklich. Oder dieses Verhalten führt zu Streit mit dem Partner.
Andere brauchen dieses Gefühl von monetärer Sicherheit nicht so sehr. Im Gegenteil: Sie finden Lebendigkeit und Freiheit im eher freizügigen Umgang mit Geld. Auch das kann Folge der Erfahrungen im Elternhaus sein.
Wenn die Weichen schon im Elternhaus gestellt werden, wie kann ich dann als Erwachsene umsteuern?
Das ist biografische Arbeit: Zuerst muss man sich mit der eigenen Geldbiografie befassen; das heißt auch, blinde Flecken ergründen. Es geht darum zu rekonstruieren, welche symbolische Bedeutung Geld für mich hat. Dabei gibt es zwei mögliche Ansatzpunkte: Einmal rational mit Blick darauf, wie gut ich finanziell aufgestellt bin. Und einmal emotional: Macht mich mein Umgang mit Geld glücklich?
Wie gehe ich konkret vor?
Der erste Schritt ist die Selbstbeobachtung, um sich selbst auf die Schliche zu kommen. Wie gehe ich mit Geld um? Kann ich in meinem eigenen Verhalten eine grobe Richtung herauslesen? Bin ich eher großzügig, bin ich eher restriktiv? Bin ich eher adaptiv, also kann ich je nach Lebensphase und finanzieller Situation unterschiedlich mit meinen Finanzen umgehen?
In einem zweiten Schritt geht es dann an die Geldbiografie: Wie bin ich sozialisiert worden, was haben meine Eltern mir vorgelebt? Wie waren die Rahmenbedingungen in meinem Elternhaus?
Aus den Geldbotschaften des Elternhauses entwickeln wir unsere eigenen Werte und Einstellungen. Wenn ich die Beweggründe meiner Eltern kenne, kann ich meine eigenen Verhaltensweisen und -muster besser verstehen – die ich vielleicht vorher gar nicht in Frage gestellt habe. Denn der Umgang mit Geld ist in der Regel eine unhinterfragte Alltagshandlung. Wenn ich mich damit beschäftige, kann ich eingeschliffene Werthaltungen und verfestigte Handlungsmuster aufspüren.
Und mit dem Wissen kann ich meine Beziehung zum Geld verändern?
Ja, das ist die Voraussetzung. Aber damit das wirklich gelingt, braucht es noch ein Ziel, das mich möglichst auch emotional anspricht. Das kann zum Beispiel sein: Ich möchte finanziell unabhängig sein. Oder ich möchte früher in Rente gehen. Oder ich will den Kindern ein gutes Vorbild sein für eine positive Geldbeziehung. Allein die rationale Ebene reicht nicht, ein Ziel dient als emotionaler Anker.