"Dieses Buch rettet deine Beziehung": Was ein geschiedener Mann aus seinem Eheaus gelernt hat
05.04.2023
Anna Dunst
Seine Scheidung hat den Autor Matthew Fray hart getroffen – und ihn einiges gelehrt. Jahre danach hat er ein Buch darüber geschrieben, das er als "Beziehungsretter" bezeichnet. Wir verraten, was Fray Verheirateten rät. Und haben ihn im Interview gefragt, wie es für ihn war, das Ende seiner Ehe öffentlich aufzuarbeiten.
"Sie ließ sich von mir scheiden, weil ich das Geschirr neben der Spülmaschine stehen ließ". So lautete der Titel des Blogbeitrags, der Matthew Fray, so würde man es wohl heute ausdrücken, viral gehen ließ. Er wurde millionenfach geklickt. Zehn Jahre ist es jetzt her, dass Fray begann, die Wut und Trauer nach seiner Scheidung mit seinem Blog "Must Be This Tall To Ride" auf Anraten seiner Therapeutin zu verarbeiten. Mittlerweile ist er Beziehungscoach, will anderen Menschen das, was er durchgemacht hat, ersparen. Weil es natürlich nicht nur um ein paar Teller neben der Spüle ging – das war ihm auch damals schnell klar – sondern um grundlegende Probleme.
Vor kurzem ist sein Buch "Dieses Buch rettet deine Beziehung" erschienen. Darin schlüsselt Fray Beziehungskiller auf, von denen er überzeugt ist, dass vor allem Männer sie begehen: etwa die Gefühle und Erfahrungen des anderen nicht ernst genug zu nehmen, toxische Gesprächsmuster oder unterbewusste sexistische Grundeinstellungen. Wie es sich für ihn angefühlt hat, diese persönlichen Erfahrungen und Learnings öffentlich zu teilen und wann Ehen und Beziehungen seiner Einschätzung nach langsam sterben, hat Fray EMOTION im Interview verraten.
EMOTION: Gibt es einen Unterschied zwischen Männern und Frauen in einer Ehe?
Matthew Fray: Ich würde Unterschiede im Verhalten nicht am Geschlecht im biologischen Sinn festmachen. Ich komme gerade aus einem Meeting mit einer Frau, die in ihrer 20-jährigen Ehe dieselben Verhaltensmuster an den Tag gelegt hat, wie ich sie in meinem Buch beschreibe. Wenn man aber pauschalisieren wollen würde, würde ich sagen, dass typische Verhaltensmuster, die Jungs vorgelebt werden und die sie als Erwachsene in Hetero-Paarbeziehungen häufig weiterführen, in sehr langsamen Tempo und fast unmerklich zum Zusammenbruch von Sicherheit und Vertrauen in der Beziehung führen.
Wie kommt das?
Männern wird ein solches Verhalten schon sehr früh beigebracht und oft hat es im Umgang mit ihren Familien, ihren Freund:innen oder Kolleg:innen keine negativen Konsequenzen für sie – bis sie in ihrer ersten ernsten Langzeitbeziehung sind. Wenn jede:r, den man kennt, einen für eine schlaue, freundliche und liebevolle Person hält, aber der Mensch, den man liebt, für den man Opfer bringt und für den man sich auch verändern möchte, einem suggeriert, dass man nicht so gut und liebevoll ist, wie man sein sollte, wird dieser Mensch sozusagen zu einem statistischen Ausreißer. Denn sie ist die einzige Person, die einem dieses negative Feedback auf das eigene Verhalten gibt. Und was machen wir mit statistischen Ausreißern? Wir ignorieren sie.
Was passiert dann?
Wenn die Partnerin sich auf lange Sicht ignoriert fühlt, als würde ihr nicht zugehört werden und als würde sie nicht geliebt und respektiert werden, verliert sie das Vertrauen, ihr Sicherheitsgefühl in der Beziehung und womöglich auch ihr Selbstvertrauen. Sie fühlt sich ungeliebt und vernachlässigt. Er wiederum fühlt sich ungerecht behandelt und so, als wäre nichts, was er jemals tut, gut genug. Dann verdorrt die Ehe, stirbt langsam – bis sie für lange Zeit sehr schmerzhaft ist oder eine:r sie beendet.
Sie selbst nennen sich "den Typen, der es zu spät kapiert hat", vor zehn Jahren endete Ihre Ehe. Wann haben Sie zum ersten Mal realisiert, dass das auch zum Teil Ihre Schuld war?
Das Wort "Schuld" verwende ich gar nicht, ich spreche lieber von Verantwortung. Es ist wichtig, sich klar zu machen, dass man kein schlechter Mensch sein muss oder etwas Schlimmes tun muss, um eine andere Person zu verletzen und die Beziehung mit ihr zu beschädigen. Ich denke, eine wichtige Lektion ist es, dass sehr gute Menschen sehr schlechte Partner:innen sein können. Da geht es nicht um Charakter oder um die Intelligenz. Und definitiv nicht um die Intentionen. Wir verletzen einander versehentlich. Wir denken gar nicht, dass unser Verhalten schädlich für die Beziehung ist. Ansonsten würden wir ja damit aufhören.
Wenn uns dann also jemand sagt, dass wir ihn beziehungsweise sie verletzt hätten, glauben wir nicht, dass er oder sie sich überhaupt verletzt fühlen sollte. Denn wir glauben ja nicht, dass wir etwas Schlimmes getan hätten. Wir reagieren dann also so, als dürfte diese Person sich gar nicht so fühlen. So, als würden sie uns falsch einsetzen. Und deshalb verteidigen und rechtfertigen wir unser Verhalten dann. Für den anderen ist das eine emotionale Invalidation. Das beendet die Beziehung natürlich nicht beim ersten Mal, aber wenn es Hunderte Male passiert, schon.
Matthew Fray, Autor von "Dieses Buch rettet deine Beziehung"
Eine der wertvollsten menschlichsten Erfahrungen ist es, festzustellen, dass man nicht alleine ist
Es muss zum Teil schmerzhaft gewesen sein, so ehrlich mit sich selbst zu sein – und diese Erkenntnisse dann auch noch zu veröffentlichen.
Tatsächlich war das der leichte Teil. Ich habe ja damals schon beruflich geschrieben. Erst bei Zeitungen, dann im Marketing. Und als meine Frau und mein Sohn nicht mehr jeden Tag bei mir zuhause waren und ich mehr Schmerz gefühlt habe, als ich es jemals für möglich gehalten habe, habe ich realisiert, dass ich mich nicht schlechter fühlen kann. Eine ganze Zeit lang hat mir nichts mehr Angst gemacht. Deshalb hatte ich keine Angst, all diese Geschichten aufzuschreiben, obwohl ich vor meiner Scheidung schon davor zurückgeschreckt wäre. Nichts hat mir mehr geholfen, als über meine Geschichte zu bloggen und das Feedback und den Support von Leser:innen zu bekommen. Als es also an der Zeit war, dieses Buch zu schreiben, hatte ich schon viel Übung darin, diese unangenehmen Geschichten zu erzählen – und plötzlich war es gar nicht mehr unangenehm.
Viele Menschen haben Ihnen geschrieben, dass Sie die Verhaltensmuster, die Sie in Ihrem Buch beschreiben, sehr gut kennen. War das für Sie eine Erleichterung? Oder waren Sie genervt davon, dass so viele Ehen aus ähnlichen Gründen enden?
Beides. Eine der wertvollsten menschlichsten Erfahrungen ist es, festzustellen, dass man nicht alleine ist. Dass Millionen von anderen Menschen ihre Leben leben und die gleichen Dinge denken, fühlen und tun wie man selbst. So viele Menschen fühlen sich seltsam, einsam oder so, als wären sie kaputt. Oder haben Angst. Dabei sind wir alle ein wenig gefangen in unseren eigenen Köpfen. Und jede Erinnerung, dass wir nicht alleine sind, dass wir nicht die einzigen sind, die mit Unsicherheiten, Ängsten, Scham, Schuldgefühlen und Stress zu kämpfen haben, ist meiner Meinung nach eine gute Sache.
Gleichzeitig ist es für mich eines der tragischsten Dinge der Welt, dass all diese Scheidungen, gebrochenen Herzen und weinende Kinder davon kommen, dass zwei Menschen einander auf so fundamentale Weise missverstehen. Dass sie es nicht schaffen, so zu kommunizieren, dass diese Missverständnisse aus dem Weg geräumt werden. Häufig tut es zu sehr weh, darüber zu sprechen, macht einen noch wütender als ohnehin schon – weil so wenige von uns wissen, wie man ein zerbrochenes Vertrauensgefühl repariert.
Es ist sehr schwer, die einzigartigen emotionalen Erfahrungen einer anderen Person, die eine Situation ganz anders bewertet als wir, anzunehmen. Aber genau das ist es, was es braucht, um gesunde und somit erfolgreiche Beziehungen zu führen. Dafür müssen wir lernen, wie wir so sprechen und handeln, dass es unsere Liebe und unseren Respekt für die andere Person ausdrückt. Selbst – oder besonders dann – wenn sie Dinge nicht auf dieselbe Art erfahren wie wir selbst.
Manchmal kommt das alles zu spät. Wie merkt man, dass eine Ehe oder eine Beziehung tatsächlich vorüber ist, dass es nichts mehr zu retten gibt?
Ich glaube, das ist eine Frage, die nicht endgültig beantwortet werden kann. Manche Paare erleben Unehrlichkeit, Betrug, Affären und schaffen es trotzdem, das Vertrauen nach diesen Erfahrungen wiederherzustellen. Andere haben eben Streitigkeiten über das Geschirr und können die Risse, die dadurch entstehen, nicht kitten. Eine:r oder beide entscheiden dann, dass der Schmerz, diese Beziehung zu beenden, leichter auszuhalten ist als der Schmerz, den das Zusammenbleiben verursacht.
Über das Buch
"Dieses Buch rettet deine Beziehung" ist ein zeitgemäßer Ratgeber, der hilft, Beziehungskiller frühzeitig zu erkennen und beseitigen zu können. Autor und Beziehungscoach Matthew Fray erzählt dabei schonungslos ehrlich von seinem eigenen Ehe-Aus und gibt die Impulse, die er selbst gerne früher bekommen hätte. Harte Lektionen – aber unterhaltsam und unkonventionell aufgeschrieben ("Dieses Buch rettet deine Beziehung", erschienen im Piper Verlag, 336 Seiten, 14 Euro).