Unter dem Lebenskonzept "Nagomi" verstehen Japaner:innen einen Weg, Leichtigkeit, Harmonie und Glück im Leben zu fördern. Aber wie funktioniert das genau – und lässt sich das Prinzip wirklich aufs eigene Leben übertragen?

Nagomi ist laut Autor und Neurowissenschaftler Ken Mogi der Grundkern dessen, wofür Japan und seine Einwohner:innen stehen – und trotzdem in anderen Ländern und Kulturkreisen teilweise gänzlich unbekannt. Deshalb hat er das Lebensprinzip, das für Glück und Harmonie sorgen soll, in seinem Buch "Nagomi" zusammengefasst, um es Menschen auf der ganzen Welt zugänglich zu machen.
Nagomi – der japanische Weg zu Harmonie und Lebensfreude" (176 Seiten, 20 €, ISBN: ISBN 978-3-8321-8162-8)
Was ist Nagomi?
Eine komplizierte Frage zu Beginn. Denn wenn eine Lebensphilosophie so tief in einem Land oder in einer Kultur verankert ist und für die Menschen, die damit aufgewachsen sind, selbstverständlich geworden ist, fällt es schwer, sie kurz und knapp zu erklären. Mogi wagt sich trotzdem an die Definition und bezeichnet Nagomi als einen "Zustand des menschlichen Bewusstseins, geprägt von einem Gefühl der Leichtigkeit, der emotionalen Ausgeglichenheit, des Wohlbefindens und der Ruhe".
In einem Interview erklärt er außerdem, dass das Konzept sich auf viele verschiedene Lebensbereiche anwenden ließe. Spricht jemand davon, sich nagomi zu fühlen, meint er damit beispielsweise einen Geisteszustand, es könne aber auch bedeuten, mit jemandem oder etwas Frieden zu schließen, mit dem man nicht übereinstimmt, so Mogi. Ein bisschen erinnert das an die Gelassenheit und die Seelenruhe, die für die Stoiker von großer Bedeutung sind.
Wie kann man Nagomi in das eigene Leben integrieren?
Bei Nagomi geht es viel um Harmonie – darum, Dinge in Einklang miteinander zu bringen. Und das Bewusstsein, dass Gegensätzliches koexistieren darf. Mogi schreibt in seinem Kapitel "Nagomi des Ichs", um sich glücklicher zu fühlen, sei ein stabiles Selbstwertgefühl essentiell. Ein zu ausgeprägtes Selbstvertrauen könne aber ebenso negativ sein – es kommt eben auf die Balance an. Ein weiterer wichtiger Bestandteil dieses Lebensgefühl ist es, Dinge anzunehmen, die man ohnehin nicht ändern kann. Wichtig dafür: Vergebung. Sich selbst, aber auch anderen gegenüber. Man könnte es auch als eine wohlwollende Grundhaltung bezeichnen.
Nagomi in unseren Beziehungen
Und die ist ganz besonders in zwischenmenschlichen Beziehungen wichtig. Mogi schreibt, um die Harmonie und Balance in Beziehungen zu schützen, müssten Missverständnisse und Unstimmigkeiten ausgeräumt werden – oder notfalls unter den Teppich gekehrt. Dass das in der westlichen Welt, in der Debatten nicht nur an der Tagesordnung stehen, sondern besonders im gesellschaftlichen oder politischen Kontext sogar geschätzt werden, durchaus unüblich ist, weiß er. Trotzdem spreche viel für das kulturell verankerte Bedürfnis nach Einigkeit. Dass das nicht etwas für jede:n ist, ist klar.
Aber wie schafft man es, Nagomi in seine Beziehung zu integrieren – am besten, ohne die eigenen Bedürfnisse deshalb zu vergessen?
An dieser Stelle kommt einerseits das Selbstwertgefühl ins Spiel. Wer sich seines eigenen Wertes bewusst ist, lässt gar nicht zu, dass er oder sie übergangen wird. Laut Mogi ist es außerdem wichtig, sich selbst nicht immer allzu ernst zu nehmen, die eigenen Stärken und natürlich auch die Schwächen reflektiert zu betrachten. Eine Tugend, von denen nicht nur die Japaner:innen, sondern auch wir nur profitieren können.
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