Bei einer Sterilisation werden beide Eileiter verschlossen oder durchtrennt, so dass eine Schwangerschaft unmöglich wird. Warum dieser medizinische Vorgang so viel mit Emanzipation zu tun hat…
Sterilisation – mein Unterleib gehört mir!
Sterilisation ist ein medizinischer Akt – aber auch einer, der die Selbstbestimmtheit von Frauen demonstriert. Der Eingriff ist nicht unbedingt medizinisch, sondern primär gesellschaftlich umstritten. Kritik ernten Frauen vor allem, wenn sie sich schon früh dafür entscheiden, selbst keine Kinder bekommen zu wollen – und nicht, wenn sie nach einer "erfolgreich abgeschlossenen Familienplanung" beschließen, "jetzt reicht's". Eine Sterilisation junger Frauen lehnen viele Gynäkolog:innen aus Befürchtung ab, die Frauen könnten diesen Eingriff später bereuen. Aber was passiert bei einer Sterilisation eigentlich? Und was können Frauen tun, die sich dafür entscheiden? EMOTION-Redakteurin Kristina Appel hat Gynäkologin Dr. Vera Schoeder von der Gemeinschaftspraxis Gyndoctors gefragt.
EMOTION: Wie genau funktioniert eine Sterilisation?
Vera Schoeder: Meist wird diese bei Frauen, die nicht etwa im Rahmen einer Geburt sterilisiert werden, mittels einer Bauchspiegelung durchgeführt. Hierbei werden über einen Schnitt am Bauchnabel, sowie einen weiteren im Unterbauch, eine Kamera und ein Arbeitsinstrument in den Bauchraum eingeführt. Etwa 2 cm jedes Eileiters werden dann verödet, zusätzlich können die Eileiter danach noch durchtrennt werden.
Mit welchen Komplikationen muss ich rechnen?
Es gibt eher theoretische Risiken – praktisch habe ich noch nie eine schwere Komplikation erlebt. Wir gehen in den Bauchraum – theoretisch besteht das Risiko einer Entzündung, es könnte Verletzungen der Blutgefäße oder des Darms geben. Durch etwaige Verwachsungen ist das Risiko höher, wenn man schon einmal im Bauchraum operiert wurde, oder eine Entzündung hatte. Aber eigentlich sind weibliche Sterilisationen nicht risikoreicher, als männliche.
Der Irrglaube besteht aber…
Männer brauchen keine Narkose, da reicht eine lokale Anästhesie. Viele haben Angst vor Narkosen, allerdings sind die bei jungen Frauen meist völlig ungefährlich. Die Risiken einer Wundheilungsstörung oder Infektion sind bei Mann und Frau genau gleich groß.
Es heißt, bei Männern sei der Eingriff reversibel, bei Frauen dagegen nicht?
Heutzutage sind grundsätzlich beide reversibel, wenn noch genug Ei- oder Samenleiter vorhanden ist. Aber nur etwa die Hälfte der Rekonstruktionen sind bei Frauen im Sinne einer Schwangerschaft erfolgreich. Für Frauen gibt es darüber hinaus noch die Möglichkeit der künstlichen Befruchtung.
Beeinflusst eine Sterilisierung den Zyklus und die Wechseljahre?
Der Zyklus bleibt normal bestehen, denn die Hirnanhangdrüse steht in enger Verbindung mit den Eierstöcken. Sie sendet zyklisch Hormone aus, egal, ob wir sterilisiert sind, oder nicht. Blutung, Regelmäßigkeit und Stärke bleiben gleich. Nur die Spermien gelangen nicht zum Ei und umgekehrt. Die Eizellen sammeln sich auch nicht im Eierstock, sondern werden abgebaut, wie andere tote Zellen auch.
Gibt es auch die Möglichkeit, gar nicht mehr bluten zu müssen?
Es gibt die Möglichkeit die Gebärmutterschleimhaut zu entfernen und zu veröden. Das bietet nicht jede:r an. Der Hormonhaushalt bleibt gleich aber es führt dazu, dass man nicht mehr blutet. Führt aber auch dazu, dass man nicht mehr schwanger werden sollte, auch nicht durch künstliche Befruchtung. Das darf jede Frau machen lassen, aber es ist natürlich mit Kosten verbunden.
Die Wechseljahre sind auch nicht beeinträchtigt?
Nein. Gerade gab es eine Studie, die auch gezeigt hat, dass – wenn richtig durchgeführt – eine Sterilisation keine verfrühten Wechseljahre verursacht.
Welche medizinischen Indikationen gibt es für eine Sterilisation?
Man muss unterscheiden zwischen medizinisch indiziert und „was übernimmt die Krankenkasse“. Für mich ist die Indikation gegeben, wenn eine Frau nicht (mehr) schwanger werden darf. Etwa wenn sie zu viele Kaiserschnitte hatte und Gefahr besteht, dass die Gebärmutter bei einer erneuten Schwangerschaft reißt. Selbst das wird jedoch häufig von den Krankenkassen nicht übernommen. Die Kasse bezahlt nur, wenn eine Frau nicht mehr schwanger werden darf und zusätzlich alle anderen Verhütungsmethoden nicht infrage kommen.
Wie häufig werden in ihrer Praxis Sterilisationen angefragt?
Häufig. Wir haben wöchentlich Anfragen und sterilisieren mittlerweile auch fast jede Woche. Von den eben genannten Fällen abgesehen, ist der Grund meist eine abgeschlossene Familienplanung. Weil wir eine Klinik sind, die auch junge Frauen zur Sterilisation annimmt, behandeln wir viele Patientinnen, die überhaupt keinen Kinderwunsch haben.
Wie lange muss eine Frau bei Ihnen auf den Eingriff warten?
Wir sagen: Eine Frau ist mit 18 Jahren volljährig und in der Lage, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Natürlich muss eine solch wesentliche Entscheidung wohl überlegt sein. Wenn die Patientin in einem Vorgespräch ihre Gründe klar darlegt, erfüllen wir ihren Wunsch. Wir hatten noch keine Frau bei uns, die mit dem Thema leichtfertig umgegangen wäre.
Welche Beweggründe gibt es noch?
Erbkrankheiten etwa, wenn die Patientin keine genetisch eigenen Kinder zeugen möchte, um diese Krankheit nicht weiterzugeben. Oder beispielsweise, wenn das Muttersein in ihrem Lebensentwurf einfach nicht vorkommt. Manche Patientinnen verzichten bis zu ihrer Sterilisation sogar auf Geschlechtsverkehr, weil sie das Risiko einer Schwangerschaft auf keinen Fall eingehen wollen.
Und genau hier scheinen Menschen und Mediziner:innen zu hadern ...
Es ist paradox: Unsere Gesellschaft akzeptiert jegliche Lebensentwürfe – nur nicht Frauen, die keine Kinder haben möchten. Bei Männern wir das häufig nicht hinterfragt.
Warum glauben Sie, werden männliche und weibliche Körper so unterschiedlich behandelt und Männer so viel seltener bevormundet?
In vielen Köpfen ist drin, dass dieser Eingriff unkomplizierter ist. Und es gibt immer noch dieses verschrobene Bild, dass eine Frau ohne Kinderwunsch nicht ernst zu nehmen ist.
Sie sind selbst gerade Mutter geworden – hat das ihre Einstellung beeinflusst?
Nein. Ich habe einen Schwangerschaftsabbruch oder eine Sterilisation stets für mich selber ausgeschlossen. Aber ich respektiere es, wenn mein Gegenüber nicht der gleichen Meinung ist. Für mich spricht nichts dagegen, diese Frauen auf ihrem Weg zu beraten und zu begleiten, auch wenn er nicht meiner ist.
Gibt es juristische Gründe, einer Frau die Sterilisation zu verweigern?
Wenn eine Frau nicht mündig ist: also nicht volljährig, nicht zurechnungsfähig, sei es durch Alkohol oder Drogeneinfluss – und wenn sie etwa einen Vormund in Gesundheitsfragen hat.
Warum verweigern wohl so viele Ihrer Kolleg:innen diesen Eingriff?
Ich mutmaße, dass die ältere Generation zum Teil noch stärker verinnerlicht hat, man müsse Patientinnen vor sich selbst schützen. Ich kenne auch Kolleginnen und Kollegen, die Befürchtung haben, dass eine Frau den Eingriff irgendwann bereut und sie dann – emotional, nicht juristisch – zur Rechenschaft ziehen könnte. Ich kann das nachvollziehen: Als Ärztin kann ich nichts durchführen, was für mich nicht ethisch vertretbar ist.
Aber könnten Mediziner:innen nicht wenigstens an andere überweisen?
Das wäre schön. Aber es gibt leider ein Vernetzungsproblem. Die Liste von Selbstbestimmt Steril e.V., auf der auch wir stehen, ist die erste ihrer Art. Ich würde mir ein deutschlandweites OP-Register wünschen, das zeigt, wo welche Eingriffe vorgenommen werden. Bis dahin ist die Arbeit des Vereins elementar.
Sind sie häufig die erste Anlaufstelle?
Nur bei sehr jungen Frauen, die auf uns aufmerksam werden. Die meisten waren vorher bei vielen anderen Ärztinnen und Ärzten und haben zum Teil schroffe Abweisungen erfahren. Immer wieder brechen Frauen schon am Telefon in Tränen aus, wenn sie hören, dass wir für ihre Lage Verständnis zeigen und bereit sind ihnen zu helfen „Einfach so? Kein psychologisches Gutachten?“ In jedem Gespräch merkt man: Diese Frauen stehen unter extrem hohem Leidensdruck. Sie befassen sich mit dem Thema Sterilisation meist bereits mehrere Jahre.
Wie viel Kostet eine Sterilisation?
Unterschiedlich, die Kosten liegen in der Regel zwischen 800-1.200€ inklusive Narkose.
Wie lange muss ich mich vom Eingriff erholen?
2-3 Tage. Da es sich um einen freiwilligen Eingriff handelt, sollte man sich hierfür Urlaub nehmen.
Kann ich sofort nach dem Eingriff wieder nach Hause?
Ja, es ist ein ambulanter Eingriff. Aber man muss von jemandem gebracht und abgeholt werden.
Unter www.selbstbestimmt-steril.de gibt es weitere Informationen, Anlaufstellen und Austausch zum Thema.
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