Nichtstun ist die beste Idee ever – weiß auch Schriftsteller Björn Kern. Er erzählt von einer Disziplin, die er seit Kindheitstagen trainiert: Totales Abschalten.
Liegen und in den Himmel schauen - Nichtstun macht SLOW-Kolumnist Björn Kern glücklich
Nichtstun hat mich in meinem Leben immer sehr glücklich gemacht. Schon als Kind lag ich lieber im Sandkasten, als darin zu sitzen, und schaute lieber in den Himmel, statt Sandburgen zu bauen. Als Jugendlicher verbrachte ich ganze Sommer rücklings auf dem Steg eines nahen Waldsees. Ohne Weltschmerz, ohne Drogen, vor lauter Nichtstun war ich viel zu glücklich dazu.
Nichtstun - der mir vorherbestimmte Weg
Im Grunde war mir damals bereits klar, dass Nichtstun meine Berufung ist, der mir vorherbestimmte Weg. Ich traute mich nur nicht, es mir einzugestehen. Als Ausbildung, Erwerbsarbeit und Familiengründung in mein Leben traten, schienen diese einem umfassenden Nichtstun im Wege zu stehen. Erst mit den Jahren fand ich heraus, dass sich Nichtstun hervorragend mit ihnen vereinbaren lässt.
Wer nichts tut, leidet unter Rechtfertigungsdruck
Kleine Warnung vorab: Es ist nicht einfach, nichts zu tun, ohne sich dabei lächerlich zu machen. Wer etwas tut, hat das Verständnis auf seiner Seite. Wer nichts tut, leidet unter Rechtfertigungsdruck. Angeblich muss man es sich verdienen, nichts zu tun. Frei zu sein. Erst arbeitet man, heißt es, dann vergnügt man sich. Noch heute fällt es mir leichter, am Abend nichts zu tun als am Morgen. Ich muss nicht erwähnen, dass morgendliches Nichtstun die eigentliche Königsdisziplin darstellt.
Gelingendes Nichtstun fordert Konzentration ein und bedarf eines magischen Quäntchens Glück.
Björn Kern, SchriftstellerTweet
Nichtstun ist eine Tätigkeit - und bedarf täglichen Trainings
Nichtstun widerfährt einem nicht nebenbei. Gelingendes Nichtstun fordert Konzentration ein und bedarf eines magischen Quäntchens Glück. Im Grunde ist Nichtstun nicht das, was es behauptet, sondern ebenfalls eine Tätigkeit. Die Urtätigkeit, die uns lange geläufig war und dann verloren ging. Nichtstun ist keine Tätigkeit wie Radfahren, einmal erlernt, für immer beherrscht, es bedarf täglichen Trainings. Wer außer Übung ist, erfährt Nichtstun als Melancholie. Auch ich muss es immer wieder neu erlernen. Wer nichts tut, befindet sich in der Verteidigungshaltung. Wer seine Gesundheit nicht ruiniert und keine Dinge erwirbt, die seine Lebensgrundlage zerstören, und dann auch noch gut gelaunt ist, weckt Unmut.
Nicht mehr auf die anderen hören - sondern nur noch auf sich selbst
Früher habe ich mich noch jedem Einwand gestellt. Wer soll das finanzieren? Halte ich mich für etwas Besseres? Verschwende ich mein Leben? Bin ich faul? Irgendwann wurde mir das zu mühselig. Die Auseinandersetzung mit der Meinung anderer brachte mich um erquickliche Stunden voll erfüllendem Nichtstun. Seitdem höre ich auf niemanden mehr. Meinen märkischen Nachbarn einmal ausgenommen. Wenn man aufhört, auf die anderen zu hören, nimmt man auf einmal wahr, was man davor überhört hatte: die leise, vom Unterbewusstsein aufsteigende Stimme menschlicher Bedürfnisse, die nur selten darum bittet, zur Arbeit zu fahren, im Stau zu stehen, sich vor dem Bildschirm den Nacken zu reiben oder schon wieder eine E-Mail mit „Lieber Herr Hartmann“ zu beginnen, obwohl der liebe Herr Hartmann der letzte Idiot ist, wie jeder weiß.
Nichtstun macht glücklich, ist unschädlich und umweltfreundlich
Eigentlich will man das alles nicht. Eigentlich will man frische Luft, weite Sicht, ein bisschen platonische und viel körperliche Liebe. Grundlage dafür: gelingendes Nichtstun. Das ist oft nicht einfach. Es verlangt uns viel, manchmal alles ab. Dafür macht Nichtstun glücklich, ist unschädlich und umweltfreundlich. Nur die Wirtschaft kurbelt Nichtstun nicht an. Wir können nun entweder glücklich sein und aufs Kurbeln verzichten oder wir kurbeln und verzichten aufs Glücklichsein. Noch entscheiden wir uns für die zweite Möglichkeit. In Bhutan haben sie sich dagegen fürs Bruttoinlandsglück entschieden. Das wächst vor allem dann, wenn man gar nichts tut.
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