Wissenschaftsjournalist Bas Kast kennt alle Ernährungsmythen. Weil er sich für sein Buch "Der Ernährungskompass" durch hunderte wissenschaftliche Studien geackert hat. Jetzt kommt sein erstes Kochbuch – und wir haben ihm ein paar Food-Fragen gestellt.
Bas Kast – Wissenschaftsjournalist im Selbstversuch
Bas Kast in Zusammenarbeit mit Michaela Baur: "Der Ernährungskompass - Das Kochbuch", C. Bertelsmann, 22 Euro, erschien am 25. Februar 2019.
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Bas Kast: Ist das gesund oder nicht?
Wir haben dem neuen Ernährungsguru Bas Kast ein paar Stichworte mit Fragezeichen zugerufen. Das hält er von…
… Milch
Gilt als gesund, ich bin trotzdem skeptisch. Anfangs hab ich Milch noch als Schuss in den Kaffee getrunken, mittlerweile ersetze ich auch diesen Schuss durch Mandel- oder Hafermilch (was mindestens ebenso gut schmeckt!). Der Grund: Milch ist ein Wachstumsgetränk, von Mutter Natur dazu erfunden, kleine Babys groß zu machen. Erwachsene wachsen aber, das Wort suggeriert es, nicht mehr. Stattdessen wächst bei uns Krebs. Fleißiger Milchkonsum wird nicht umsonst in Zusammenhang mit diversen Krebsformen gebracht. Mein Tipp: lieber meiden!
… Kaffee
Ist super, selbst in hohen Dosen (6, 7 Tassen) senkt Kaffee das Sterblichkeitsrisiko. Wichtig: Filterkaffee ist bei hohem Konsum besser als Espresso, weil im feinen Papierfilter einige fürs Herz ungünstige Substanzen vermehrt hängen bleiben, die dann nicht im Kaffee landen. Tipp: Am besten eine kleine Mühle kaufen und die ganzen Bohnen frisch mahlen, Kaffee frisch gebrüht trinken. Warum? Viele der heilsamen Substanzen sind flüchtig oder verderben in Kontakt mit Sauerstoff. Interessant: Kaffee mit oder ohne Koffein hemmt den Alterungsschalter mTOR (mechanistic Target of Rapamycin) und regt ein Selbstreinigungsprogramm unserer Körperzellen namens Autophagie an. Kaffee ist somit ein regelrechtes Anti-Aging-Getränk!
… Fisch
Empfehlenswert, aber Achtung: Einmal Fisch pro Woche reicht, hier vor allem fettreicher Fisch, wie Lachs, Hering, Makrele, Forelle. Lieber Wild als von Zucht. Manche Fische sollte man meiden, wie z.B. Pangasius (viel Quecksilber und andere Gifte) oder frittierter Fisch. Fisch ist eindeutig gesünder als Fleisch, tendenziell auch gesünder für den Planeten, weil Fische Kaltblüter sind, die nicht so viel Energie verbrennen. Ein Rind zum Beispiel verbraucht schon allein deshalb viel Energie (sprich muss viel fressen), um die eigene Körperwärme aufrecht zu erhalten. Fisch lässt sich übrigens oft sehr leicht zubereiten (siehe Kochbuch)!
… Fleisch
Eher meiden, eher als Beilage oder für ab und zu. Vor allem meiden sollte man verarbeitetes Fleisch in Form von Salami, Wurst, Speck, Schinken oder Hot Dogs. Sie erhöhen schon in recht geringen Dosen das Krebs- und Sterblichkeitsrisiko. Rotes Fleisch ist auch nicht so super. Schon besser ist weißes Fleisch, wie Hühnchen oder Pute, vor allem wenn das Tier selbst gesund und artgerecht gelebt hat. Die Fleischzurückhaltung gilt vor allem für Erwachsene, nicht unbedingt für Kinder (obwohl auch hier Fisch und unverarbeitetes Fleisch die erste Wahl sein sollte).
… Probiotika
Sehr positiv, also zum Beispiel Joghurt, Käse oder Sauerkraut, fermentierte (von Bakterien vorverdauten) Lebensmittel schneiden auffallend positiv ab. Joghurt könnte ein Schlankmacher sein, Käse ist weitaus besser als sein Ruf, was Sauerkraut betrifft, da sind die Daten spärlich, aber ich gehe davon aus, dass es mega-gesund ist. Die Bakterien als solche unterstützen unsere Darmflora, die ja selbst aus Billionen von Bakterien besteht und sehr wichtig für unsere Gesundheit sind (neuesten Erkenntnissen zufolge sogar für unsere Stimmung!). Beim Joghurt ist es zudem so, dass schädliche Wachstumsfaktoren der Milch von den Bakterien verdaut werden, was zu einem entscheidenden Unterschied zwischen Milch und Joghurt beiträgt.
… Alkohol
Hängt ganz von der Dosis ab. Schnaps würde ich ganz meiden: zu stark, oft trinkt man es ohne Essen, der Alkohol schießt zu schnell ins Blut. Bier und Wein sind in Maßen okay, mehr als okay sogar: Ab einem gewissen Alter (meinem Alter etwa, ich bin 46) wird ein tägliches Glas am Abend beim Essen vermutlich günstig, weil Alkohol in Maßen das Herzkreislaufrisiko senkt, und dieses Risiko steigt mit dem Alter. Jugendliche profitieren nicht. Komasaufen ist sehr, sehr schädlich. Männer vertragen einen Tick mehr als Frauen (2 bis 3 Gläser).
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… Zucker
Meide ich wie die Pest! Wahrlich, ich bin kein Zuckerfan. Das Problem dabei ist nicht das Löffelchen Zucker, das wir in den Kaffee rühren. Das Problem ist das verarbeitete Essen der Industrie: Müsli, Joghurts, Rotkraut im Glas, Tomatensoßen – alles wird mit Zucker aufgepeppt. Jede Speise wird so zum Nachtisch, und das ist einfach viel zu viel. Wer nicht auf Süßes verzichten mag, sollte als Ersatz Stevia oder Xylit versuchen, aber besser ist es, nur natürlich Zuckerquellen, wie Obst, zu genießen. So tue ich es jedenfalls. Obst und dunkle Schokolade!
… Smoothies
Kann man mal zu sich nehmen, in Obstform höchstens einen Smoothie am Tag (die Struktur der Frucht ist arg zerschreddert, sodass der Zucker der Frucht recht schnell in den Körper befördert wird, was ungünstig ist), ansonsten lieber ganzes Obst. Gemüse-Smoothies sind vermutlich besser, weil sie weniger Zucker enthalten. Sehr bedenklich sind übrigens Fruchtsäfte, wie Apfelsaft, weil man da gar keine Ballaststoffe, sondern im Grunde nur ein Zuckerwässerchen trinkt. Ein Apfel ist dagegen eine gute Wahl!
Gebratener Saibling auf lauwarmem Spinatsalat und Süßkartoffel-Weges – ein Rezept aus Bas Kasts Kochbuch "Der Ernährungskompass".
EMOTION: Was ist nach allem, was sie bei ihren Recherchen herausgefunden haben, das Wichtigste beim essen, um den Körper, aber auch die Umwelt gesund zu halten?
Bas Kast: Wenn man sich die Daten anschaut, ist es schön zu entdecken, dass beides durchaus kongruent ist. Was für den Körper gesund ist, muss für unseren Planeten nicht ungesund sein. Mehr Pflanzen als Fleisch – das ist zum Beispiel der Kern einer gesunden Ernährung. Und die Produktion von pflanzlichen Nahrungsmitteln verursacht dazu auch noch einen geringeren CO2-Ausstoß und belastet Grundwasser und Böden weniger als die Fleisch- produktion. Wenn man ein Korn direkt isst, statt Tiere damit zu füttern, ist das sehr energieeffizient. Alles, was gesund ist, wie Getreide, Gemüse, Hülsenfrüchte, lässt sich viel schonender für die Umwelt erzeugen als Fleisch. Das zweite Beispiel ist Fisch. Eine ideale Ernährung aus Sicht der Gesundheit ist Pflanzenkost plus eventuell etwas Fisch. Und um einen Fisch zu produzieren, ist viel weniger Energie nötig als für die Zucht von Warmblütern wie Rindern und Schweinen. Die einzige Ausnahme ist Zucker. Der lässt sich effizient herstellen, ist aber trotzdem ungesund.
EMOTION: Sie haben gerade von der Fettphobie gesprochen. inzwischen gibt es ja eher eine Kohlenhydrat-Phobie. Alles muss Low Carb sein. Was halten sie von diesem Kult?
Bas Kast: Low Carb ist mehr als eine Mode. Auch Paleo und glutenfreie Ernährung gehen in die Richtung. In Zeiten von Übergewicht und ungesundem Lebensstil mit wenig Bewegung wird Low Carb natürlich populärer. Das Problem sind aber vor allem schnellverdauliche Kohlenhydrate wie Weißbrot, Süßigkeiten, weiße Nudeln, Reis, Cola. Statt Low Carb müsste es also eigentlich Slow Carb heißen. Hülsenfrüchte wie Linsen lassen den Blutzuckerspiegel ganz langsam ansteigen. Slow Carb ist sicher eine Empfehlung.
EMOTION: Nach allem, was sie heute wissen – worauf haben sie absolut keinen Appetit mehr?
Bas Kast: Auf Zucker und generell Junk- und Industriefood. Ich esse keine Chips mehr, wenig Verpacktes, keine Wurst, nur noch Natur- statt Fruchtjoghurt, trinke keine Softdrinks mehr. Zucker steckt überall in verarbeitetem Essen. In Müsli, Rotkraut im Glas und Biotomatensoße. Jede Mahlzeit wird zum Nachtisch. Irgendwann schädigt das den Körper. Die einzige Ausnahme, die ich mache, ist dunkle 90%-ige Schokolade. Die enthält nur sieben Gramm Zucker, also nicht mal zwei Löffel, in der ganzen Tafel.
EMOTION: Und was ist heute ihr Lieblingsessen?
Bas Kast: Im Augenblick habe ich zwei Lieblingsessen: eine Suppe mit roten Linsen und ein Gericht aus Berglinsen mit Lachs und viel frischem Spinat. Durch mein neues Kochbuch habe ich viele neue Rezepte ausprobiert. Man kann schon sehr lecker und gleichzeitig gesund essen.