Christine hat das Vier-Tage-Detox-Programm im Hotel Post in Bezau im österreichischen Bregenzerwald ausprobiert, als Einstieg in eine bewusstere Ernährung.
Ja, ich weiß, dass ich mich schlecht ernähre. Und an jedem Jahresende wiege ich ein Kilo mehr, was langfristig auch nicht unbedingt gesund erscheint. Leider habe ich in meinem ganzen Leben noch keine einzige Diät länger als bis mittags 12 Uhr durchgehalten. Deshalb ist mir klar: Alleine werde ich eine Nahrungsumstellung niemals schaffen. Immer ist noch irgendwas im Kühlschrank, ist irgendeine Ausnahmesituation, verschiebe ich, nachdem ich doch wieder eine ganze Tüte Nüsse verputzt habe, den Start meines neuen Ess-Lebens auf den nächsten Tag. Lange Geschichte, alte Geschichte, peinliche Geschichte. Und weil Stress und Fehlernährung ein sich gegenseitig anstachelndes Alptraum-Paar sind, fühle ich mich mittlerweile richtig ungesund und mache mir Sorgen um mich.
Es muss also etwas geschehen, ich muss also weg von zu Hause, von meinem Kühlschrank, von meinem Schreibtisch. Überhaupt aus der Welt.
Mein Fastentagebuch
1. Fastentag
Ich fliege nach Zürich, nehme den Zug nach St. Margrethen, fahre mit dem Taxi (es gibt auch einen Postbus) nach Bezau. Nie gehört? Ist auch ein Stück aus der Welt, aber genau das brauche ich jetzt: Hier will ich neu essen lernen.
Bezau ist ein entzückendes Örtchen mit einer sehr besonderen Mischung: Coole Boutiquen (wie der wirklich gute Concept Store "Rar Schönes") liegen direkt neben Ställen, wo man den Kühen in die Augen schauen kann (und gleich den aus ihrer Milch erzeugten Käse kaufen, Geld einfach in die Dose werfen!). Und es liegt in einer wunderschönen Region. Der Bregenzerwald ist eine Bergregion in Vorarlberg, die im Westen an den Bodensee grenzt. Er zeichnet sich aus durch sanfte grüne Hänge, an einigen Stellen auch skifähig, und vor allem eine sehr coole unverwechselbare Architektur, alles aus Holz und Glas, und zwar sowohl die alten Höfe als auch die Neubauten. Selbst die Feuerwehrautos sind hier in solchen Gebäuden untergebracht, die zugleich ultramodern und retro-schön aussehen.
Ich checke in der Post ein, mein Zimmer ist unterm Dach, das urig bis über die drei (!) Balkons reicht (okay, zwei davon sind ganz klein), das Interior dagegen ist in ganz clean in Grau- und Beigetönen gehalten. Bregenzerwald-Mischung auch hier.
Susanne Kaufmann, die Chefin der Post, steht auch selbst für diese Mischung: Nach Jahren in New York (was man der stylish-lässigen Hotelbesitzerin auch heute noch ansieht) übernahm sie das Hotel, das seit Generationen im Besitz ihrer Familie ist, aber sie gab ihm eine neue Ausrichtung. Vor 15 Jahren entwickelte sie zusammen mit dem ortsansässigen Bauern (!) und Naturkosmetik-Entwickler Ingo Metzler (naturhautnah.at) ihre eigene Kosmetiklinie, die "von Pflanzen kommen, effektiv sein und gleichzeitig luxuriös aussehen" sollte. Sie besteht heute aus etwa 100 Produkten, die auch im hauseigenen Spa verwendet werden. Ich erwähne das nicht nur, weil diese Produkte mich wirklich überzeugen, sondern weil sie auch aktiv in meinem Detox-Programm eingesetzt werden, vor allem bei der Lymphdrainage und als basische Bäder.
Das Kaufmann-Programm ist ganzheitlich angelegt. Und so wird mir gleich eine große Thermoskanne mit Tee überreicht, Susanne-Kaufmann-Basentee aus Kräutern, die der Übersäuerung des Körpers entgegenwirken sollen. Die Kanne werde ich in den nächsten vier Tagen ständig mit mir herumtragen. Es gibt ein wunderschönes großzügiges Badehaus, natürlich aus Holz und Glas, mit Innen- und Außenbecken und verschiedenen Saunen, das ich nach Herzenslust benutzen darf. Ich komme aber kaum dazu, denn mein Vier-Tage-Detox-Retreat ist wirklich umfangreich. Gut, dass ich mich am ersten Tag schon im Dorf umgesehen habe…
2. Fastentag
Was, Gemüsebrühe zum Frühstück? Gar nicht schlecht. Danach gibt es noch Porridge und Chia-Pudding satt.
Der nächste Tag beginnt mit einem ausgiebigen Frühstück. Es ist gewöhnungsbedürftig. Dass es keinen Kaffee, sondern den bereits bekannten Kräutertee (in einer anderen Variante diesmal) geben würde, war klar. Aber zudem gibt es: eine Gemüsebrühe, dann ein Porridge mit einigen wenigen (Zuckergefahr!) Beeren, dann einen Chia-Pudding, und als letztes einen frisch gepressten Gemüsesaft mit etwas Leinöl. So viel! Und: So seltsam! Normalerweise komme ich mit einem Milchkaffee bis elf Uhr vormittags durch, nun muss ich umdenken: Bis zum Mittagessen werde ich nichts mehr bekommen, also besser rein damit, egal, wie es schmeckt! Oh Wunder: Alles schmeckt sehr gut! Und hält mich tatsächlich bis mittags problemlos satt.
Nur: Wie soll ich jetzt Qi Gong machen, das jetzt jeden Morgen auf dem Programm steht? Aber hier kommt Wunder Nummer zwei: Selbst mit Hafer-Chia-Plautze macht Qi Gong Spaß, um so mehr als der Blick in die Berge geht und Lehrer Pavol so tiefenentspannt und fröhlich daherkommt, dass ich das Gefühl habe, ich habe mir heute um zehn Uhr morgens schon mehr Gutes getan als zu Hause in einer ganzen Woche.
Nun folgt meine Basis-Diagnose beim hauseigenen TCM-Arzt Dr. Lohmann. Susanne Kaufmann hat mir erklärt, warum sie schon immer auf die Traditionelle Chinesische Medizin gesetzt hat: Die gebe ihren Ärzten zur Aufgabe, den Menschen gesund zu halten, auf dass er gar nicht erst krank werde – anders als bei uns, wo er erst zum Zuge kommt, wenn es sozusagen schon zu spät ist. Aus diesem Grund haben Ernährung, guter Schlaf und ein Leben im Einklang mit sich selbst in der TCM schon immer den Stellenwert, den sie bei uns erst seit einigen Jahren erlangt haben. Dr. Lohmann untersucht also nicht Herz und Lunge, sondern meine Zunge und den Puls (bei den Chinesen gibt es 28 unterschiedliche Pulse) und stellt mir gefühlte hundert Fragen. Am Ende bekomme ich das Go für zwei Leberwickel mit entgiftenden Essenzen und den Ratschlag, regelmäßig Birne zu essen. Essen, gutes Thema: Jetzt gibt’s Mittagessen. Und hier kommt Wunder Nummer drei. Obwohl es "nur" aus Gemüse, wenig Fett, wenig Kohlehydraten besteht, ist es einfach köstlich. Für mich ein extrem wichtiger Punkt, denn wenn ich nicht zufrieden bin, kann ich noch so satt sein - ich esse immer weiter.
Detox-Chef Jan Vondruska, der mich extrem durch seine Fachkenntnisse beeindruckt, erklärt mir, dass für dieses Essen einfach nur weggelassen wurde, was der Körper nicht braucht. Milchprodukte, Zucker, Weißmehl, Alkohol, hochverarbeitete Lebensmittel, Zusatzstoffe. Es sei keine kalorienreduzierte Kost, denn hier geht es ja ums Entgiften, nicht ums Abnehmen, dennoch fühle ich mich leicht und zufrieden. Nur leichte Kopfschmerzen habe ich, aber das ist ja bekanntlich ein Zeichen dafür, dass der Körper ein bisschen auf Entzug ist. Vermutlich der fehlende Kaffee…
Nun betrete ich das Spa: Body Shape Lymphdrainage und Detox Bath stehen auf dem Programm. Das Spa ist ein wunderschöner weißer Ort mit mildem Licht, wo sich die Behandlungsräume kreisförmig um ein Atrium gruppieren. Die Behandlungen sind exzellent, das Personal überaus kompetent. Man bildet hier selber aus, um die Qualität auf hohem Niveau zu halten. Susanne Kaufmann mag eben keine halben Sachen.
Da ist es fast logisch, dass sie in Sachen Ganzheitlich- und Nachhaltigkeit nun noch einen Schritt weitergehen wird: Ab sofort stellt das Hotel sich auf Quasi-Selbstversorgung um. Dazu haben zwei Gärtner neben dem Hotel eine 4000 qm großen Gemüsegarten angelegt, aus dem die Hotelküche sich speisen wird – auch im Winter. Kaufmann hat einige Rentnerinnen aus dem Dorf angestellt und 8000 Einmachgläser bestellt. "Wenn dann auf einmal 100 Kilo Kirschen geliefert werden, müssen wir sie sofort verarbeiten." 90 Prozent der Zutaten sollen aus dem Umkreis von 100 Kilometern kommen, fünf Prozent aus 500 km Entfernung (Wein!) und die restlichen 5 Prozent von weiter her. "Ingwer zum Beispiel lässt sich schwer ersetzen", sagt Kaufmann halb schuldbewusst.
Mich begeistert das sehr. Hier tut eine das, was sie tun kann. Abends Gemüse, grüner Spargel mit feiner Soße, köstlich, leicht. Ich mache noch ein basisches Fußbad, das im Zimmer bereitsteht (soll gegen die Detox-Kopfschmerzen helfen) und schlafe danach wie ein Stein.
3. Fastentag
Zum ganzheitlichen Ansatz von Susanne Kaufmann gehört auch ihre Naturkosmetik, die auf die Wirkung von Kräutern setzt, z.B. bei den Detox-Behandlungen.
An das kaffeelose Frühstück habe ich mich schon gewöhnt (und übrigens, dies schon mal vorweg: Ich werde auch zu Hause noch zehn Tage ohne leben - und trinke ihn danach nicht mehr mit Milch, sondern Hafermilch) und auf die Qi-Gong-Stunde freue ich mich richtig. Auf den Rest des Tages auch. Denn ich werde ihn fast komplett im Spa verbringen, bei verschiedenen Entgiftungsbehandlungen: ein 90-minütiges Signature Treatment Detox für den Körper und ein 80-minütiges Facial Treatment, die so fantastisch und luxuriös sind, wie ihre Namen klingen. Und natürlich stammen die verwendeten Produkte von Detox Bath bis Ingwer Detox Oil aus Susanne Kaufmanns eigener Linie mit dem puristischen Packaging. Unterbrochen wird mein Relax-Detox-Tag nur von den Essenseinheiten, diesmal gibt es ein hervorragendes Kräutersüppchen und danach überbackenen Kohlrabi. Ich bin so zufrieden, dass ich nicht mal mehr daran denke, die dem Hotel gegenüberliegende Metzgerei heimzusuchen (eine der besten der Gegend, wie unter den Gästen geraunt wird). Die Kopfschmerzen sind verschwunden, ich setze mich mit einem Buch nach draußen und genieße die frische Bergluft. Alles ist gut. So geht das also, wenn genügend Ruhe und Sinnlichkeit da sind, denke ich noch nicht mal an Schokolade. Auch abends nicht.
4. Fastentag
Letzter Tag. Beim Frühstück schaue ich neidisch auf die Gäste, die das Zehn-Tage-Programm gebucht haben und zum Yoga-Kurs aufbrechen. Blödes Gefühl, gleich mal in die Detox-Tonne damit, Seele reinigen! Beim Qi Gong mit Bergpanorama fühle ich mich entspannt, leicht und zuversichtlich und kann deutlich spüren, wieviel die letzten drei Tage mir gebracht haben. Meine Haut strahlt, mein Inneres auch, ich habe viel bekommen: Ideen, gute Vibes, gesundes Soulfood und all diese Erfahrungen kann ich mit nach Hause nehmen. Von Detox-Chef Jan Vondruska hole ich mir noch ein paar Rezepte für zu Hause, eine Flasche Ingwer Detox-Öl und ein Päckchen von Susanne Kaufmanns Basentee. Eine Qi-Gong-Anleitung bekomme ich auch noch und ein kleines feines Fresspaketchen für die Heimreise. Mein wichtigstes Mitbringsel jedoch: die Erkenntnis, dass ein gesünderes Leben sich viel schöner anfühlt.