Bücher als Geschenk gehen einfach immer – egal, ob ihr euch selbst oder eure Liebsten glücklich machen wollt. Falls ihr noch Inspiration braucht: Das EMOTION-Leseteam hat die 60 besten Bücher zum Verschenken für euch gesammelt.
Bücher verschenken: Das sind unsere Empfehlungen
Winterzeit ist Lesezeit! Auch deshalb sind sie ein Klassiker, um unsere Liebsten und uns selbst ein echtes Geschenk zu machen: Bücher! Und falls ihr noch ein bisschen Inspiration braucht: Wir haben Bücher, die wir dieses Jahr besonders gern gelesen haben, für euch gesammelt — da ist für alle und für alle Lebenslagen was dabei. Versprochen!
Übrigens: In der neuen EMOTION findet ihr 17 weitere ganz aktuelle Tipps zum Verschenken oder Selberlesen.
Unsere Lieblinge: Diese 60 Bücher sind toll zum Verschenken
Mit dem Herz im Schnee
Gibt es das Genre des Eis-Romans? Ich erinnere mich, natürlich, an „Fräulein Smillas Gespür für Schnee“, und an dieses Lesegefühl, mit ihr im Eis zu sein. Ann-Helén Laestadius, die schwedische Autorin und gebürtige Sámi, schafft das auch: mich mit in den Schnee zu nehmen, mit zu den Rentier-Herden. Der Schnee wogt hier nördlich des Polarkreises, wird durchquert, niedergekämpft, umgibt dabei fast zärtlich Elsa, begleitet das samische Mädchen wie ein Familienmitglied durch die Kindheit, in der sich persönliches Trauma und Herabwertung ihrer Kultur zu einem großen Paket verknoten, das Elsa mit sich herumschleppt. Und dann, man merkt es kaum, schickt man das eigene Herz mit auf die Reise. Eine unvergessliche Figur, ein beeindruckender Roman. JULIA MÖHN
(Das Leuchten der Rentiere, Ann-Helén Laestadius, HoCa, 25 €, Ü: Maike Barth, Dagmar Mißfeldt)
Das Mädchen und der Herzog
Maggie O’Farrell ist eine der Autor*innen, deren Büchern ich entgegenfiebere – tatsächlich ist „Porträt einer Ehe“ wieder eines der Highlights 2022 für mich. Dabei habe ich beklommen weitergeblättert, nachdem ich die vorangestellte „Historische Notiz“ gelesen hatte: Denn 1560 zog die 15-jährige Lucrezia di Cosimo de’ Medici von Florenz als Frau des Herzogs von Ferrara an seinen Hof. Kein Jahr später war sie tot. Gleich auf der ersten Seite sitzen wir mit am Esstisch, als sie begreift, „dass er beabsichtigt, sie zu töten“, eine Situation, zum Reißen gespannt, in die uns O’Farrell immer wieder mitnimmt. Dazwischen entwirft sie so faszinierend wie opulent ein Leben für Lucrezia, zeigt sie als sensible, hochbegabte Außenseiterin in ihrer eigenen Familie. Wie es O’Farrell gelingt, ein spannendes Sittengemälde der Zeit zu zeichnen, und sie dazu ein überraschendes (!) Ende findet: ganz große Kunst! SILVIA FEIST (mehr zu diesem Buch und anderen in Silvis Podcast „Feiste Bücher“)
(Porträt einer Ehe, Maggie O’Farrell, Piper, 24 €, Ü: Thomas Bodmer)
Lässt sich Liebe beweisen?
Olive ist Doktorandin der Biologie, immer etwas durch den Wind und sehr intuitiv. Quasi aus reiner Nächstenliebe küsst sie einen ihr völlig Fremden, denn sie möchte ihrer Freundin signalisieren, dass die ohne schlechtes Gewissen Olives Ex-Freund daten kann. Wo das enden wird? Man ahnt es! Doch das RomCom-Debüt der echten Neurowissenschaftlerin Ali Hazelwood ist so liebenswert, dass ich mich fröhlich damit auf die Couch gelegt habe, auch wenn nicht alles ganz unvorhersehbar war. Das Setting war dafür umso spannender: Die Liebe entflammt hier in der MINT-Welt im Forschungslabor. Ich glaube, ich fand Reagenzgläser und Bunsenbrenner noch nie so unterhaltsam. ANNALENA LÜDER
(Die theoretische Unwahrscheinlichkeit von Liebe, Ali Hazelwood, Rütten & Loening, 16,90 €, Ü: Christine Strüh und Anna Julia Strüh)
PS: Hazelwood-Fans können sich über neue Liebesexperimente freuen, gerade ist „Das irrationale Vorkommnis der Liebe“ erschienen.
Die Geister, die uns umtreiben
Gegen Ende war es so weit, da habe ich mit den Tränen gekämpft. „Dschinns“, Fatma Aydemirs zweiter Roman, ist ergreifend – aber vor allem ist er richtig gut. Aydemir erzählt die Geschichte von Emine und ihren vier Kindern, die für die Beerdigung von Vater Hüseyin aus Deutschland nach Istanbul reisen. Im Gepäck haben alle eigene Sorgen und Zweifel, die ihnen das Leben schwer machen. Und dabei schweben die Familiengeheimnisse über allem wie Dschinns, die bösen Geister, die niemand wecken möchte, aber die doch alle spüren. Man kann das Buch Familienroman nennen, aber eigentlich ist es ein großer Gesellschaftsroman, der sechs Menschen einer Familie auf ihrer intensiven Suche nach Identität begleitet und dabei mäandert zwischen Entfremdung und Annäherung, zwischen Aufbruch und Ankunft. IMKE WEITER (weitere Tipps von Imke bei Instagram unter @the_female_reader)
(Dschinns, Fatma Aydemir, Hanser, 24 €)
PS: „Dschinns“ stand als eines der herausragenden Bücher dieses Jahres auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Kämpf für deine Träume
Die junge Chemikerin Elizabeth Zott ist klug und den Männern an der Uni in den 1950ern ein Dorn im Auge. Jeden Tag rennt Zott gegen neue Türen an, jede Chance muss sie sich selbst erkämpfen – eine davon wird sie zur TV-Starköchin machen, die in ihrer Show viel mehr als Rezepte vermittelt, sondern die Zutaten für ein selbstbestimmtes Leben. In ihrem Debüt schafft Bonnie Garmus eine eigensinnige Heldin, die alle süßlichen 1950er-Jahre-Klischees unterläuft und mithilfe ihrer patenten Nachbarin Harriet für sich und ihre kleine Tochter Madeline ein Leben aufbaut. Elizabeth ist geradlinig, unbeirrbar und empfindsam. Garmus mutet ihr dabei Momente zu, die das Herz zerreißen – und setzt dem Tragischen eine Prise magischen Realismus entgegen, besonders durch Fundhund Halbsieben, der eine eigene Stimme hat. Schnurrig-schlaue Unterhaltung mit Tiefgang. Ein Buch, das einfängt, wie weit wir seit den 50ern gekommen sind – und ermutigt, für die eigenen Träume zu kämpfen! SILVIA FEIST
(Eine Frage der Chemie, Bonnie Garmus, Piper, 22 €, Ü: Klaus Timmermann, Ulrike Wasel)
Jagdsaison am Kaiserhof
Rührselige Szenen wie in den ikonischen Romy- Schneider-Filmen hatte ich bei Karen Duves historischem Roman nicht erwartet. Doch die Unbarmherzigkeit, die ihre Sisi bei der Jagd mit dem britischen Hochadel oder beim Intrigenschmiedenam Wiener Hof an den Tag legt, war doch ein kleiner Schock. Aber gerade weil sie weit davon entfernt ist, die lächelnde Sympathieträgerin zu sein, fesselt diese Kaiserin, die zeitlebens darum kämpfte, ernst genommen zu werden. Ehemann Franz sieht in Sisi nur die 14-jährige Kindfrau, die er einst an den Hof geholt hat. So bleibt sie bei den Versuchen, ihr Leben selbstbestimmt zu gestalten, getrieben wie ein Fuchs bei der Hetzjagd. Großartige Charakterstudie! Und dass Frau Duve toll schreibt, ist sowieso klar. FRIEDERIKE TRUDZINSKI
(Sisi, Karen Duve, Galiani, 26 €)
Wer bin ich eigentlich?
Als Frau unter Männern studiert Helene Klasing Anfang der 1960er an der Werkkunstschule Frankfurt. Die junge Künstlerin weiß, was sie will. Doch ihr Leben gerät ins Wanken, als sie erfährt, dass sie adoptiert wurde. Ihre wahre Mutter ist eine Adlige und lebt in New York. Sie, der Freigeist, die Tochter einer Adligen? Helene nähert sich der Mutter über Briefe und Telefonate, erst spät trifft sie ihre Familie persönlich, zu der auch eine Halbschwester gehört. Deren Sohn sucht Jahre später Kontakt zu seiner Tante. So wie Helene sich als große Bereicherung für ihren Neffen erweist, der sinnsuchend durch New York streift, ist diese besondere Heldin auch eine Bereicherung für uns Leser*innen. Inspiriert vom Leben der Berliner Künstlerin Irene Wedell hat Martin Beyer ein mitreißendes Buch geschrieben, das leichtfüßig daherkommt und tiefgründig ist. KATHARINA WANTOCH
(Tante Helene und das Buch der Kreise, Martin Beyer, Ullstein, 23 €)
Lebens- und Liebesexperimente
Die beiden jungen Frauen, die so offen und verletzlich vom Cover blicken, sind die Autorin Bettina Flitner, damals 21, und ihre Schwester Susanne, 24. Es ist ein Punkt im Leben, an dem sie beide Suchende sind, ein Punkt, ab dem sie sich aus den Augen verlieren. 2017 hat sich Susanne im Alter von 57 Jahren das Leben genommen, wie 33 Jahre zuvor Mutter Gisela ... Jetzt ist Bettina Flitner in die gemeinsame Familiengeschichte eingetaucht und spürt nach, welche Spuren die Kindheit, die Lebens- und Liebesexperimente der Eltern, aber auch eine familiäre Veranlagung zur Depression hinterlassen haben. Vielleicht ist es Flitners Beobachtungsgabe als Fotografin, die diese so feinfühlige wie grausam genaue Erzählung möglich macht. Es gibt heitere Momentaufnahmen der Geschwisterliebe, es geht um die Sehnsucht nach Aufbruch in den 1960er- und 70er-Jahren, um weibliche Abhängigkeit und eine Selbstbefreiung. Meisterlich erzählt und zutiefst bewegend. SILVIA FEIST
(Meine Schwester, Bettina Flitner, Kiwi, 22 €)
Ab aufs Land
Dieses Romandebüt ist Labsal für die Seele, perfekt um runterzukommen und Ruhe zu finden, was auch Protagonistin Alina vorhat. Den Stress im Job und den Streit mit dem Ex will sie nur noch hinter sich lassen – und zieht zu ihrem Großvater aufs Dorf, findet neue Freund*innen und setzt sich mit Dingen auseinander, über die 20 Jahre niemand gesprochen hat. Mit viel Feingefühl erzählt Franziska Fischer von Alinas Selbstfindung und erinnert daran, was im Leben wirklich wichtig ist: Familie, Freundschaft und natürlich die Liebe. Es macht Spaß mitzufiebern, welche Rolle Nachbar Elias bei Alina spielen wird ... So schön! IMKE WEITER
(In den Wäldern der Biber, Franziska Fischer, Dumont, 22€)
Und morgen ist ein neuer Tag
Ruth ist chaotischer Dauersingle, ihre große Schwester Hannah ein organisierter Beziehungsmensch, die Liebe zwischen beiden: bedingungslos. Doch bei einem gemeinsamen Urlaub kommt es zu einer Tragödie ... Jessie Cave, bekannt als „Hexe Lavender Brown“ aus den „Harry Potter“-Filmen, verarbeitet in ihrem so feinfühligen wie rotzigen (ja, das geht zusammen!) Debütroman den Verlust ihres jüngeren Bruders und zeigt einen Weg auf, die Freude am Leben zurückzuerlangen. Mit einem Kloß im Hals lächeln – das ist Sunset. SARAH SCHULZ
(Sunset, Jessie Cave, Atlantik, 24 €, Ü: Eva Kemper)
Wunsch nach Freiheit
Seit jeher ist das Leben auf den Nordseeinseln den Gewalten der Natur unterworfen. Immer wieder forderte die See ihren Tribut – tut es bis heute. Hanne Sander wohnt allein im alten Kapitänshaus hinter dem Knochenzaun; ihr Mann lebt seit Jahren als Einsiedler auf der Vogelinsel. Sohn Ryckmers Ängste vor dem Meer treiben ihn zum Alkohol, Tochter Eske flüchtet sich meist aufs Festland .... Dörte Hansen lässt ihre Figuren in ihrem dritten Roman so sehr straucheln wie dem Leben trotzen, denn so einfach können sie nicht weg, von ihrer Insel. Hansens Sprache erzeugt eine eigentümliche Sehnsucht, wenn sie so schön vom Wandel der Zeiten und dem Wunsch nach Befreiung erzählt. IMKE WEITER
(Zur See, Dörte Hansen, Penguin, 24 €)
Virtuose Selbsterkundung (Deutscher Buchpreis 2022)
Geschlechter-Stereotype? Die lässt dieses Debüt einfach komplett hinter sich. 2022 Kim de l’Horizon, Hausautor*in an den Bühnen Bern, befreit sich von jeglicher Konvention und reflektiert, ausgelöst von der Demenzerkrankung der Großmutter, die eigene nicht-binäre Identitätsfindung, das Aufwachsen, die weibliche Familiengeschichte, Klassenunterschiede, Körperbewusstsein, das Aufbrechen von Gewissheiten ... Es ist eine virtuose (und fordernde) Reise, auf die man sich begibt, untermalt von Sätzen, mit denen de l’Horizon ein eigenes Universum heraufbeschwört und mich nachhaltig begeistert hat. IMKE WEITER
(Blutbuch, Kim de l’Horizon, Dumont, 22 €)
PS: Ausgezeichnet mit dem Deutschen und dem Schweizer Buchpreis 2022. Wir haben uns sehr gefreut, zumal EMOTION das erste Magazin war, das „Blutbuch“ vorgestellt hat.
Gefangen in 4 Zimmern, Küche, Bad
120 Quadratmeter Altbau in einem angesagten Stadtteil Münchens: Als Coordt und Franziska den Zuschlag für die Wohnung kriegen, können sie es kaum fassen. Okay, irgendwie doch schließlich hat der Mietvertrag einen Haken: einen alten Mann als Mitbewohner. Als der dem jungen Elternpaar auch noch ein „unmoralisches“ Angebot macht, nimmt das Drama seinen Lauf ... Natalie Buchholz ist eine der Autor*innen, die eine scheinbar alltägliche Situation derart gekonnt eskalieren lassen können – langsam, aber unaufhaltsam –, dass man einfach die ganze Nacht durchlesen muss. Schlaue Unterhaltung, lässig komponiert. Und einen aktuellen Aufhänger (Wohnungsnot in der Großstadt) hat sie auch noch. Was will man mehr? CHRISTINE RITZENHOFF (weitere Tipps von Christine bei Instagram unter @Frau.R.liest)
(Unser Glück, Natalie Buchholz, Penguin, 20 €)
Selfie mit Hemingway
Insa wird mit einem Klick berühmt, als die 22-Jährige 1953 vor der Aufgabe steht, auf Kuba Ernest Hemingway zu porträtieren. Der Schriftsteller lässt sie zwar an seinem illustren (Gesellschafts-)Leben teilhaben, doch das Foto verweigert er stur. Mühsam gelingt Insa eine Annäherung – und es entsteht eines der berühmtesten Selfies der Fotogeschichte: Hemingway mit ihr, einem Freund und Schwertfisch. Mit feinem Humor erzählt Natascha Bub die Geschichte hinter dem Bild und die wahre, bewegende Geschichte von Inge Schönthal, der Frau, die später Feltrinelli hieß, und eine der bedeutendsten Verlegerinnen ihrer Zeit wurde. PETRA SCHULTE
(Ein Bild von einer Frau, Natascha Bub, List, 20,99 €)
Fabienne sucht das Glück
Petra Durst-Benning ist eine der erfolgreichsten deutschen Autorinnen. Wenn sie sich in historische Geschichten wirft, sind zwei Sachen garantiert: Eine Frau wächst, allen Widrigkeiten zum Trotz, über sich hinaus – und es wird große Unterhaltung. Im Auftakt ihrer neuen Trilogie nimmt sie uns mit nach Südfrankreich ins Jahr 1880. Schleusenwärtertochter Fabienne hat von ihrer Mutter die Leidenschaft für gutes Essen geerbt und von ihr die Kunst des Kochens gelernt. Als die Mutter stirbt, verändert sich für Fabienne alles ...Ein Schmöker, in dem die Liebe nicht zu kurz kommt, der den Sommer beim Lesen verlängert und Lust auf gutes Essen und ein Glas Wein macht. Formidabel! Ich freu mich schon darauf, wenn mich Fabienne in Teil zwei und drei auf ihrem Weg in die großen Küchen dieser Welt mitnimmt. ANNALENA LÜDER
(Die Köchin, Petra Durst-Benning, Blanvalet, 20 €)
Sprich mit mir
Das erste Wort, das fast alle mit Familie verbinden, ist: Liebe. Das zweite: Schmerz. Von beidem handelt dieser liebevolle Roman: Franziska, die einst im Streit und im Glauben, den Erwartungen der Eltern nicht zu genügen, von zu Hause weggegangen war, kehrt als 50-Jährige zurück, weil der alte Vater Hilfe braucht. Eine ganz normale Geschichte, doch so kompliziert und so belastet wie bei vielen von uns: das Schöne, das Schlimme, die ungesagten Worte und unerzählten Geschichten, die erklären, warum alles so geworden ist. Das muss bei Franziska jetzt raus, aber geht das, wenn man einen alten schwachen Menschen vor sich hat? Und wie kann man aussprechen, was man jahrzehntelang verschwiegen hat? Die beiden Perspektiven von Franziska und Heinrich entfalten sich hier mit Zartheit und Wucht und stellen die Frage unseres Lebens: Ist es am Ende nicht doch gut? CHRISTINE ELLINGHAUS
(Für diesen Sommer, Gisa Klönne, Kindler, 22 €)
Hörtipp: Gisa Klönne, der Autor Thommie Bayer und unsere Kollegin Silvi Feist waren zu Gast im Podcast „Sprenger spricht, Folge 78“.
Eine unmögliche Liebe
Martin Kordić hat mich zum Lachen gebracht und dazu, die Tränen wegzublinzeln; die Geschichte ist so überbordend, dass ich mir die Augen gerieben habe, um mich zu fragen: Ist das noch dasselbe Buch? Kordić erzählt von Jimmy, 15, der eigentlich Željko heißt. Jimmy liebt Michael Jackson, fremde Worte, neues Wissen – und er verliebt sich in Martha, die Professorin, für die seine Mutter putzt. Es ist die erste von zwei lebensverändernden Begegnungen, die ihm Blicke in andere Welten eröffnen. Doch am Ende wird Željko feststellen: Es ist sein eigener Blick, der zählt. Kordić erzählt von Klasse und Einwanderung, von Coming-of-Age und Coming-out, taucht in eine deutsche Wirklichkeit ein, von der noch viel zu entdecken ist. Mitunter ist es ein wilder Mix, doch am Ende kommt alles zusammen und hallt lange nach. SILVIA FEIST
(Jahre mit Martha, Martin Kordić, S. Fischer, 24 €)
Familiengeheimnisse
Zwanzig Jahre ist der Unfall her, bei dem die Schwestern Doro, Yella, Helen und Amelie ihren Vater verloren haben. Jetzt kehren sie an den Ort ihrer Kindheit zurück, wohin ihre Mutter sie so spontan wie knapp beordert, hat: „Ich möchte etwas mit euch in Ruhe besprechen, 4. bis 8. Mai.“ Es werden keine ruhigen Tage, denn die Schwestern könnten unterschiedlicher nicht sein. Jede hat ihre eigene Strategie, sich im Leben zurechtzufinden; jede bringt Geheimnisse mit zu diesem Treffen, allen voran ihre Mutter. Gefühlvoll, berührend und doch leicht – Monika Peetz kann’s einfach. ANNALENA LÜDER
(Sommerschwestern, Monika Peetz, Kiwi, 16 €)
PS: Mit dem Nachschub müsst ihr euch noch etwas gedulden, aber am 1.3. geht’s mit Band 2 weiter.
Traum und Trauma
Dieses Buch hat mich durchgeschüttelt. Dabei dachte ich zu wissen, was mich erwartet. Vor Jahren habe ich Andrea Sawatzkis Buch „Ein allzu braves Mädchen“ gelesen. Schon da steckte zwischen den Zeilen ein Drama, das sich nun in diesem autobiografischen Roman unaufhaltsam Bahn bricht. Es ist ein 168-Seiten-schmales Werk, in dem die Schauspielerin in kurzen Kapiteln von ihrer Kindheit erzählt. Von dem kurzen Glück, als sie und ihre Mutter mit dem Vater, nach dem Tod seiner ersten Frau, zu einer Familie werden. Doch sehr bald zeichnet sich etwas viel Größeres ab als diese Familienwirren: Der Vater erkrankt an Alzheimer, in einer Zeit, als es dafür noch kein Bewusstsein gab. Und die kleine Andrea wird als Elfjährige das erste Mal zwei Wochen allein für ihn verantwortlich sein ... Ein aufwühlender Blick in die Welt von Kindern, die sich um kranke Eltern kümmern müssen. SILVIA FEIST
(Brunnenstraße, Andrea Sawatzki, Piper, 20 €)
Die Kraft des Zuhörens
Judith Kuckart ist eine Meisterin darin, Lebensgeschichten aus der Alltäglichkeit zu fischen. Auch in ihrem neuen Roman geht es um die unscheinbaren Gesichter, die einem auf der Straße begegnen. Im Mittelpunkt stehen sieben grundverschiedene Menschen, die nur ihre ehrenamtliche Arbeit bei „Sorgentelefon e. V.“ eint. Während sie sich die Sorgen der Anrufer*innen anhören, denken sie unweigerlich über ihre eigenen Kümmernisse nach, über Gefühle von Ausweglosigkeit und Einsamkeit – und dabei wird klar, wie die Kraft des Erzählens und des Zuhörens uns helfen. Hochaktuell! PETRA SCHULTE
(Café der Unsichtbaren, Judith Kuckart, Dumont, 23 €)
Die Wahrheit hat viele Gesichter
Krimis mag ich, wenn sie mir auch ohne viel Gewalt eine Gänsehaut über den Rücken jagen – wie bei den Aosawa-Morden. Autorin Riku Onda erzeugt subtil eine bedrohliche Atmosphäre, geht dabei ganz ruhig und psychologisch raffiniert vor. Sie lässt Beteiligte und Angehörige zu Wort kommen, um zu beweisen, was alle vermuten: Schuld am Giftmord, der die gesamte Familie Aosawa auslöschte, ist die einzige Überlebende – die blinde Tochter. Doch die Wahrheit hat viele Gesichter und bleibt oft im Verborgenen. Brillant! IMKE WEITER
(Die Aosawa-Morde, Riku Onda, Atrium, 22 €, Ü: Nora Bartels)
PS: Und auch von Onda kann man am 16.2. mehr entdecken, der poetische Titel: „Fische, die in Sonnensprenkeln schwimmen“
Zurück in die Jugend
Warum darf Krüger sich nicht verlieben? Diese Frage lässt einen nicht los. Krüger ist 15 und heißt Pascal. Zusammen mit seinem besten Freund Victor trifft er auf die rothaarige Jacky. Es ist 1999, der letzte Sommertag – und der verändert alles. Christian Huber, der auch den Podcast „Gefühlte Fakten“ macht, beamt uns zurück in die Jugend, in eine Zeit zwischen Neugier, Angst und dem Wissen: In exakt diesem Moment steckt die ganze Welt. Nostalgie pur! Samt 1999er-Soundtrack. Ende? Offen. Wie das Leben. LIANNA DORA
(Man vergisst nicht, wie man schwimmt, Christian Huber, dtv, 22 €)
Eine (Wieder-)Entdeckung
Jamaika 1910: Die junge Bita Plant kehrt zurück in ihr Heimatdorf. Ein weißes Paar aus der Stadt hatte der schwarzen Bauerntochter die Erziehung auf einer britischen Privatschule finanziert. Doch die Großzügigkeit ist an Bedingungen geknüpft ... Der erstmals auf Deutsch erschienene Roman des jamaikanisch-amerikanischen Autors Claude McKay (1889–1948) ist eine großartige Emanzipationserzählung, die sich liest wie Jane Austen in den Tropen – und zugleich ist es erlebbare Kolonialgeschichte aus schwarzer Perspektive. FRIEDERIKE TRUDZINSKI
(Banana Bottom, Claude McKay, Ebersbach & Simon, 24 €, Ü: Heddi Feilhauer)
Annäherung an sich selbst
„Guten Tag, guten Tag, ich will mein Leben zurück“... das ist der Refrain der allerersten rotzig-ironischen Single von Wir sind Helden. Es ist Anfang 2003, und die Helden werden ab da den Sound der Nuller-Jahre mitprägen – bis diese Zeile Frontfrau Judith Holofernes einholt und sie sich und die Helden 2012 in die Dauerpause schickt. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben, darüber, wie die magischen Momente alles so intensiv überstrahlen können, dass man leicht den Augenblick verpasst, in dem man sich noch in Sicherheit bringen kann. Fast hätte der Druck sie zermalmt. Ein Blick in die Musikwelt und auf ihr Leben als Sängerin, Träumerin, Frau und Mutter. Eine tastende Autobiografie: selbstironisch, radikal ehrlich und voller Gefühl. SILVIA FEIST
(Die Träume anderer Leute, Judith Holofernes, KiWi, 24 €)
Feiert den Alltag!
Sie will ihre Ruhe, will einfach in ihrer Holzwerkstatt in einem Münchner Hinterhof werkeln, die „Kanzlerin“ versorgen, ihre fleischverachtende Hündin, und Whiskey-Cocktails trinken. Doch das Leben kommt „der Iglhaut“ dazwischen – in Form ihres Ex-Liebhabers, ihrer Nachbar*innen und anderen, die sie an ihren Stacheln ins Zentrum des Miteinanders ziehen. Katharina Adler hat nach ihrem Debüt „Ida“ einen Großstadtroman geschrieben, der das Leben nachzeichnet: skurril, komisch, ungeschönt und zutiefst menschlich. Eine Ode an das Miteinander und eine Erinnerung, den Alltag zu feiern. PETRA SCHULTE
(Iglhaut, Katharina Adler, Rowohlt, 23 €)
Eine unabhängige Frau
Reese Witherspoon hat ein gutes Gespür für gute Unterhaltung, und weil sie Fan dieses späten Debüts ist (Alka Joshi, die als 9-Jährige aus Indien in die USA kam, hat es mit 62 hingelegt) und ich ein Indien-Faible habe (ich bin da 20 geworden), bin ich in diese atmosphärisch-dichte Geschichte hineingefallen. Im Mittelpunkt: Lakshmi, 30, die weit mehr Künste als die Hennamalerei beherrscht, ihre rebellische Schwester Radha,13, und der findige Botenjunge Malik, 8 – mit ihnen lebe ich in den Palästen und Straßen von Jaipur das Jahr 1955/56. Es wird sie alle verändern ... und ich bin gespannt auf die Fortsetzung „Der Geheimnishüter von Jaipur“ (kommt am 21.3.23). SILVIA FEIST
(Die Hennakünstlerin, Alka Joshi, HarperCollins, 12 €, Ü: Birte Mirbach)
TW: Die Themen ungewollte Kinderlosigkeit und Misogynie spielen eine Rolle.
Liebe und Verrat
Eine Vorzeige-Familie. Nach außen sehen die Delaneys so aus. Aber wenn „Big little lies“-Autorin Liane Moriarty dahintersteckt, ist klar, dass die Fassade bröckeln wird. Als Mutter Joy spurlos verschwindet, kommen bei Vater Stan und den vier Geschwistern gut gehütete Geheimnisse ans Licht, und nichts ist, wie es scheint. Ein temporeiches Familiendrama. Vielschichtig und raffiniert! Und ja, die Serienrechte („Apples never fall“) sind schon verkauft. PETRA SCHULTE
(Eine perfekte Familie, Liane Moriarty, Diana, 22 €, Ü: Carola Fischer)
Zwischen Glück und Gefahr
1928, am Berliner Stummfilmhimmel geht ein Stern auf: Renate Müller. Und er wird noch heller leuchten, als der Ton in die Kinos einzieht, denn die Schauspielerin ist ausgebildete Sängerin. Aus dem kurzen Leben Müllers webt Charlotte Roth eine berührende Geschichte zwischen Glück, Liebe und Glamour – und der Gefahr, die mit den Nazis aufzieht. Renate, genannt Rene, ist ein Publikumsliebling, die nette junge Frau von nebenan. Frauen wie Männer lieben ihren Charme; Goebbels will sie gar mit Hitler verkuppeln. Doch ihr Herz gehört dem jüdischen Bankierssohn Georg Deutsch, eine Liebe in dunkler Zeit ... Wunderbar, wie Charlotte Roth dieser modernen jungen Frau ein spätes Denkmal setzt – und in meiner Spotify-Playlist ist jetzt Renate Müller, ganz oben ihr Schlager: „Ich bin ja heut so glücklich“. ANNALENA LÜDER
(Ich bin ja heut so glücklich, Charlotte Roth, Droemer, 22 €)
Culture Clash und Liebeswirren
Schon in ihrem Debütroman „Brick Lane“ hat Monica Ali kulturelle Streotype gegen den Strich gebürstet. Fast 20 Jahre später ist die Tochter einer englischen Mutter und eines bengalischen Vaters mit ihrer neuen Culture-Clash-Geschichte ganz auf der Höhe der Zeit. Mühelos nimmt Ali mit in die Leben eines hinreißenden Figurenensembles. Ärztin Yasmin, 26, Kind konservativer indischer Eltern, liebt Joe, Sohn einer feministischen Ikone aus der gehobenen britischen Mittelschicht ... und das wirbelt das Leben aller ungeahnt durcheinander. Amüsant, vielschichtig, intelligent – ein echter Pageturner. SILVIA FEIST
(Liebesheirat, Monica Ali, Klett-Cotta, 25 €, Ü: Dorothee Merkel)
Eine furchtlose Frau
So ein schillerndes Leben! So ein tragisches Ende! Mary Wollstonecraft kämpfte im 18. Jahrhundert für Frauenrechte. Als sie tagelang im Kindbett ums Überleben ringt, erzählt sie ihrer Hebamme aus ihrem bewegten Leben ... Samantha Silva setzt in ihrer brillanten fiktionalisierten Biografie einer Frau ein Denkmal, die sich von klein auf gegen die Zwänge der Zeit auflehnt und im Kampf um Gleichberechtigung und Bildung für Frauen alles riskiert. Silva zeigt eine furchtlose Denkerin, die ihrer Zeit weit voraus war. Wollstonecraft stirbt, ihr Baby überlebt und wurde mit gerade mal 20 Jahren berühmt: als Mary Shelley, Verfasserin von „Frankenstein“. PETRA SCHULTE
(Diese wilde Freude in mir, Samantha Silva, dtv, 22 €, Ü: Britta Mümmler)
Wer ist die wahre Gefahr?
Schon in ihrem Debüt „Zugvögel“ hat Charlotte McConaghy ein ungewöhnliches Gespür gezeigt, Natur und weibliche Psyche stark in Szene zu setzen. Schauplatz diesmal: die schottischen Highlands. Dort versucht die junge Wissenschaftlerin Inti Flynn, Wölfe wiederanzusiedeln – und rührt damit an uralte Ängste. Und es wird einen Toten geben ... In leuchtenden Sätzen nimmt McConaghy mit in die Natur, vermittelt, wie unerwartet alles zusammenhängt, und fragt: Wer ist die wahre Gefahr – Mensch oder Tier? Vielschichtig, teils intensiv bis an die Schmerzgrenze und faszinierend. SILVIA FEIST
(Wo die Wölfe sind, Charlotte McConaghy, S. Fischer, 22 €, Ü: Tanja Handels)
TW: Der Roman greift auch das Thema Gewalt gegen Frauen auf.
Die Pionierin
Im Auto die Welt umrunden? Das wäre auch heute noch aufregend. Clärenore Stinnes hat genau das vor 95 Jahren als erste Frau getan. Jetzt erzählt Lina Jansen in ihrer Romanbiografie die vergessene Lebensgeschichte der jungen Clärenore, die mit unbändigem Mut und Willen im Alleingang alle Widerstände überwindet und sich mit ihrem Team, allesamt Männer, auf die abenteuerliche und gefährliche Reise begibt. Sie wird vor den größten Herausforderungen ihres Lebens stehen – und ihrer großen Liebe begegnen. Was für eine Frau! PETRA SCHULTE
(Fräulein Stinnes und die Reise um die Welt, Lina Jansen, Blanvalet, 20 €)
Südstaaten-Goth
Ihre Storys haben Dantiel W. Moniz in den USA zu einem literarischen Shooting Star gemacht. In den elf Geschichten, die in ihrem Heimatstaat Florida spielen, stehen überwiegend Mädchen und Frauen of color im Mittelpunkt und Florida selbst, als Gefühl sozusagen. Da ist die schwüle Hitze, das goldene Licht, Begehren und Aufbegehren und mystisch-düstere Momente. Jede einzelne Geschichte ein stilistisch funkelndes Kleinod, mit ganz eigenem Sound, durch den Moniz einen „Southern Goth“ zum Klingen bringt. SILVIA FEIST
(Milch Blut Hitze, Dantiel W. Moniz, C.H. Beck, 23 €, Ü: Claudia Arlinghaus und Anke Caroline Burger)
Zärtlich verrückter Abschied
Ihr historischer Debütroman „Junge mit schwarzem Hahn“ war preisgekrönt, jetzt legt Stefanie vor Schulte mit einer Geschichte aus dem Heute nach: Als Johanne sich umbringt, reißt es auch ihren Mann und die drei Kinder aus dem Leben. Wie vor Schulte die Familie Wege für die Trauer finden lässt, ist wunderbar: Sie werden Johannes Tagebuch essen, Halt bei anderen verlorenen Seelen suchen und ihre Erinnerung an die Mutter mit Geschichten verflechten, die nur sie verstehen. Ein Buch über das Miteinander. Tröstlich, feinfühlig und zärtlich verrückt. PETRA SCHULTE
(Schlangen im Garten, Stefanie vor Schulte, Diogenes, 24 €)
Kfz, Kleinkind, Kummerkasten
… irgendwo dazwischen bewegt sich das Leben der Erzählerin, die mit Mann und Baby nach Westjütland gezogen ist. Zwischen Fahrstunden, Mama-Zeit und der Arbeit als Kummerkasten-Redakteurin versucht sie sich mit der dänischen Provinz zu arrangieren, die dank neuer Freund*innen irgendwie aushaltbar wird. Wie Stine Pilgaard mit Humor und Eigensinn erzählt, nie den liebevollen Blick auf Land und Leute verliert, das ist feine Kunst. Ein Buch über große Herausforderungen und kleine Erfolge und den Versuch, sich auf ein neues Leben einzulassen. Fantastisk! IMKE WEITER
(Meter pro Sekunde, Stine Pilgaard, Kanon, 23 €, Ü: Hinrich Schmidt-Henkel)
PS: Weil so viele dem Pilgaard’schen Charme erlegen sind, ist im November ihr Debüt „Meine Mutter sagt“ bei uns erschienen.
Tobende Ungewissheit
Krakau, 1939. Noch herrscht Frieden. Doch in Marie, 17, tobt eine Ungewissheit. Warum ist ihre Mutter verschwunden? Wieso schweigt ihr Vater beharrlich? Getrieben von ihrer Sehnsucht begibt sich Marie auf die Suche nach der Wahrheit ... Ein intensiver, vielschichtiger Roman um die Frage: Wie weit würdest du gehen, um dein Kind zu schützen? PETRA SCHULTE
(Das verschlossene Zimmer, Rachel Givney, Lübbe, 22 €, Ü: Ute Leibmann)
Was uns prägt
Helen, 10, muss sich entscheiden: Will sie bei ihrer Mutter bleiben, die im Alkohol versinkt, oder zum erfolgreichen, aber selbstbezogenen Vater ziehen? Raffiniert verschränkt entwickelt die Schweizer Erfolgsautorin Milena Moser nun für Helen zwei Lebensgeschichten: Es gibt die ungebundene, impulsgesteuerte Helen und die eher angepasste, sicherheitsorientierte. Wie beide ihre Entscheidungen treffen und sich immer auch nach dem jeweils anderen Pol sehnen, ist klug beobachtet und spannend geschrieben. Wer glücklicher wird? Sagen wir mal so: Ein Besser gibt’s nicht, nur den Versuch, es so gut zu machen, wie man eben kann. CHRISTINE ELLINGHAUS
(Mehr als ein Leben, Milena Moser, Kein & Aber, 27 €)
Gute-Laune-Garant
Meike Werkmeister hat ein Händchen fürs Leichte. Diesmal im Mittelpunkt: die junge Ärztin Ina. Eigentlich wollte sie nach dem Studium in ihrer nordfriesischen Heimat Husum durchstarten, nur um zu merken, irgendwas fehlt ihr zum Glück. Und so kehrt sie in ihre Studienstadt Hamburg zurück, wo sie erst mal bei ihrer alten Freundin Filiz in einer Gartenlaube „illegal“ Unterschlupf findet. Alte Bekannte kreuzen Inas Weg, neue Freundschaften wachsen und es liegt ein Hauch von Liebe in der Luft. Herrlich fluffiger Gute-Laune-Garant – wie eine Staffel „Doctor’s Diary“. ANNALENA LÜDER
(Das Glück riecht nach Sommer, Meike Werkmeister, Goldmann, 11 €)
PS: Passend zu Weihnachten hat die Erfolgsautorin nachgelegt mit: „Sterne glitzern auch im Schnee“)
Die Diva und das wilde Istanbul
Julya hat mit ihrer Mutter schon lange gebrochen. Esra war zeitlebens ein gefeierter Film- und Theater-Star, ein Fixstern der Istanbuler Boheme und intellektuellen Szene. Jetzt bereitet die Diva ihren letzten großen Auftritt vor: ihre Beerdigung – und die Tochter, die Hülya hieß, bevor sie noch als Jugendliche vor der alles überstrahlenden (und: überschattenden) Mutter nach Paris geflohen ist, soll die Trauerrede vorbereiten ... Wie die Pariser Theaterregisseurin Sedef Ecer in ihrem Debüt das Istanbul der 1950er bis 1970er-Jahre lebendig werden lässt und en passant die Geschichte der Türkei erzählt, ist: umwerfend! Und so faszinierend, dass man sofort in Istanbul auf Spurensuche will. SILVIA FEIST
(All die Frauen, die du warst, Sedef Ecer, Piper, 24 €, Ü: Sonja Finck)
Eine brisante Geschichte
Ein Junge, der nach dem Tod seiner Mutter bei seinem schwulen Onkel und dessen Freund in einer russischen Kleinstadt aufwächst – als ich von dem Plot hörte, wusste ich, dass ich Mikita Frankos Debütroman lesen muss. Das Setting in Russland macht die Story noch brisanter, denn Hass auf die LGBTQI+ ist dort noch immer Normalität. Und so darf niemand erfahren, wie Miki aufwächst, die Lüge gehört fortan zu seinem Leben, die eigene Suche nach Identität und das Erkunden seiner Sexualität macht es nicht einfacher. Berauschend, unterhaltsam, aktuell. IMKE WEITER
(Die Lüge, Mikita Franko, Hoffmann und Campe, 24 €, Ü: Maria Rajer)
Die Malerin und Sitting Bull
Alex Capus spürt einer wahren Geschichte nach: dem Leben der Malerin Caroline Weldon, die zur Vertrauten von Sitting Bull wurde. Weldon kam als Susanna Carolina mit ihrer Mutter aus Basel in ein Amerika an der Schwelle zur Moderne: Die Brooklyn Bridge wird eröffnet, die Elektrizität hält Einzug und Maschinen erobern die Welt, während die Ureinwohner um ihre Rechte kämpfen. Susanna, von klein auf fasziniert vom Leben der „Indianer“, begibt sich als Erwachsene mit ihrem Sohn auf die abenteuerliche Reise zu den Dakota. Capus erzählt die Emanzipationsgeschichte einer klugen, wagemutigen Frau in einer Welt im Wandel. Starke Unterhaltung. PETRA SCHULTE
(Susanna, Alex Capus, Hanser, 25 €)
Gefangen in Gedanken
Die Seele einer Frau ist unergründlich. In einer Kleinstadt am Nord-Ostseekanal verschwindet eine Familie. In der Nachbarschaft kennt man sich schon lange nicht mehr, aber das Verschwinden streift die Leben von Julia, Elsa, Astrid, Marli. Geografisch nah, scheint doch jede in ihrer (Gedanken-)Welt gefangen. Und wir erfahren von ihren Wünschen und Geheimnissen. Liest sich wie eine gute Serie. MIRIAM BÖNDEL
(Nebenan, Kristine Bilkau, Luchterhand, 22 €)
PS: Und wir hatten auch hier einen guten Riecher, im Frühjahr in EMOTION, im Herbst auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis.
Die Kraft der Vision
Marie wird im Jahre 1158 unerwartet in ein Kloster geschickt, ausgerechnet von Elenore, der von ihrer angebeteten Königin von England. Gerade einmal 17 Jahre alt und wenig gläubig, empfindet Marie dies als Verbannung – genau wie es gemeint ist. Wie soll sie als Priorin die hungernden Nonnen in diesem verarmten Kloster führen, geschweige denn lebendig durch den Winter bringen? Doch Marie nimmt ihr Schicksal an, wenn es sein muss mit dem Schwert in der Hand: Geleitet von ihren Visionen, ihrem scharfen Verstand und ihrem unbändigen Willen, gewinnt sie das Vertrauen der Nonnen und den Respekt der Welt, und das Kloster erblüht. Lauren Groffs neuer Roman ist eine Geschichte über weibliche Stärke – großartig! JENS KOBERSTEIN (weitere Tipps von Jens bei Instagram unter @literaturtee)
(Matrix, Lauren Groff, Claassen, 24 €, Ü: Stefanie Jacobs)
Es muss sich was ändern
Als ich schreiben will: „Fallwickl springt mitten in die Pandemie“, schnürt es mir die Kehle zu, denn sie beginnt ihren neuen Roman heftig: Helene, teilzeitarbeitende Patchwork-Mutter einer Teenagerin und zweier Kleinkind-Jungs, erträgt die Überforderung unserer Tage nicht mehr und springt vom Balkon. Fallwickl, selbst Mutter zweier Kinder, seziert schmerzhaft genau, was offen oder subtil falsch läuft in unserer Gesellschaft, dass so viele Frauen auf der Strecke bleiben. Im Wechsel lässt sie Lola und Sarah erzählen, die eine Helenes woke Tochter, die andere Helenes beste Freundin seit Kindergartentagen. Wie sie trauern – und aufbegehren (Lola kampfbereit, mit radikaler Konsequenz), ist ein neuer Anfang. In ihren Köpfen immer mit dabei: Helene. Polarisierend, wichtig, der Thesen-Roman des Jahres! SILVIA FEIST
(Die Wut, die bleibt, Mareike Fallwickl, Rowohlt Hundert Augen, 22 €)
PS: Wenn ihr mehr wissen wollt, lest das Interview mit Mareike Fallwickl auf emotion.de/fallwickl
Frag doch mal den Oktopus
Ein Feelgood-Buch im besten Sinn, natürlich mit Happy End – und das wünscht man den drei Hauptfiguren von der ersten Seite an: dem 70-jährigen Tova, dem jungen Cameron, dem klugen Oktopus Marcellus, die alle vom Leben ordentlich einen mitgekriegt haben und deren Wege sich kreuzen werden. Das ist alles gar nicht kitschig, sondern leicht und süffig aufgeschrieben. Ideal, um sich damit auf dem Sofa einzukuscheln. CHRISTINE ELLINGHAUS
(Das Glück hat acht Arme, Shelby Van Pelt Krüger, 22 €, Ü: Andrea Fischer)
Frauenleben
Fünf Frauen, fünf lebensverändernde Momente, die sie für immer miteinander verbinden. Die Schwestern Margot und Anna wünschen sich beide ein Kind, ihre Freundin Elisabeth verliert ihres in der 14. Woche, Teenagerin Corrie entschließt sich zum Abbruch und Marisol trägt für Freunde ein Baby aus. Anna Hogelands tiefgründiger Roman verknüpft ihre Geschichten. Hochaktuell angesichts der Verschärfung der Abtreibungsgesetze in den USA. Mehr Jetzt als dieses Buch geht gerade nicht. SHARONNA BAREL
(Die Antwort, Anna Hogeland, Ullstein, 22,99 €, Ü: Britt Somann-Jung)
Märchen trifft nordische Mythen
Seit dem Film „Die Eiskönigin. Völlig unverfroren“ ist Hans Christian Andersens Märchen wieder in aller Munde. Jetzt verwebt C.E. Bernard es mit nordischen Mythen und schickt ihre Protagonistin Greta auf eine Heldinnenreise, bei der sie mit sehr realen Ängsten kämpft: Greta muss ihren Sohn retten und die Einzige, die dabei helfen kann, ist die gefürchtete Herrscherin des Eispalastes. Auf ihrem Weg muss Greta Prüfungen bestehen und eine wichtige Entscheidung treffen: Es geht um Vertrauen und Verrat, Familie und Pflicht. Eine höchst gelungene erwachsene Interpretation, die das Märchen noch tiefsinniger werden lässt. ANNALENA LÜDER
(Die Schneekönigin. Kristalle aus Eis und Blut, C. E. Bernard, Penhaligon, 18 €)
PS: Hinter C.E. Bernard verbirgt sich die deutsche Autorin Christine Lehnen, die auf Englisch schreibt. Wir können auch ihre 4-teilige „Palace“-Saga sehr empfehlen.
Geh deinen eigenen Weg
Unbeirrt lässt Joni ihre Provinzkindheit im Österreich der 60er-Jahre hinter sich und wird als Politikberaterin international erfolgreich. Stete Herausforderung: ihren Wunsch nach einem selbstbestimmten Leben mit der Verantwortung für ihre Kinder auszubalancieren. Als sie in Sam ihre zweite große Liebe findet und ein Foto der beiden in den sozialen Medien auftaucht, wird ihre Person plötzlich öffentlich debattiert– mit verheerenden Folgen. Vielschichtig und nuanciert erzählt Beatrix Kramlovsky von Grenzen in den Köpfen. Aufrüttelnd! PETRA SCHULTE
(Frau in den Wellen, Beatrix Kramlovsky, Hanserblau, 25 €)
Reise in die Vergangenheit
Zeitreisen und Was-wäre-wenn-Geschichten habe ich schon immer geliebt. Natasha Pulley wirft ihren Helden Joe Tournier mittenrein: Gerade noch im Jetzt, erwacht er 1898 in London – und England ist unter französischer Herrschaft, was niemanden zu wundern scheint. Joe wird in eine Klinik gebracht, Diagnose: Epilepsie, und entlassen zu seiner Frau und seinem Kind – die er nicht kennt. Einzig eine Postkarte von einem Leuchtturm scheint eine Verbindung zu seinem alten Leben zu sein ... Joe bei der Spurensuche und der Versuchung, den Lauf der Zeit zu verändern, ist perfekte Herbstabend-Lektüre. ANNALENA LÜDER
(Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit, Natasha Pulley, Hobbit Presse, Klett-Cotta, 25 €, Ü: Jochen Schwarzer)
Dieses komplizierte Leben
Zwei Schwesternpaare und jede Menge Konflikte. Die Zwillingsschwestern Alice und Hanna sind wie Tag und Nacht, und auch ihre Mutter Celia und deren Schwester Katy könnten nicht unterschiedlicher sein. Was sie teilen, ist eine traumatisch aufgeladene Familiengeschichte. Schmerzhaft kleinteilig erzählen die vier ihre Sicht auf den Alltag und offenbaren Satz für Satz die komplexen Verhältnisse in ihrer Grausamkeit. Trotz des wirklich harten Kerns, der sich um psychische Krankheiten wie Schizophrenie und um unausgesprochene Konflikte rankt, gelingt es Rebecca Wait, in typisch britischer Manier mit bitter-komischer Ironie das Alltägliche einzufangen. Ich hab’s verschlungen! SARAH KESSLER
(Meine bessere Schwester, Rebecca Wait, Kein & Aber, 26 €, Ü: Anna-Christin Kramer)
Unbekanntes Deutschland
So ganz weiß Nelli auch nicht, wo ihr Mann abgeblieben ist, kurz nachdem er ihr eröffnet hat, er hat eine andere ... Und ja, Kornelius’ Verschwinden spielt eine Rolle in diesem ungewöhnlichen Debüt. Elina Penner nimmt uns mit nach Ostwestfalen, in eine mennonitische Gemeinde von Russlanddeutschen, die „Plautdietsch“ sprechen und denen der Zusammenhalt der Familie über alles geht. Sie schafft dabei unvergessliche Charaktere und unvergleichliche Szenen, fein austariert zwischen zarter Tragik und sehr, sehr dunkler Komik. SILVIA FEIST
(Nachtbeeren, Elina Penner, Aufbau, 22 €)
PS: Die Autorin leitet auf Instagram den Blog @hauptstadtmutti.
Ein Rezept für Stärke
Der Zweite Weltkrieg. Die Lebensmittel werden knapp – die BBC startet einen Kochwettbewerb: Hausfrauen sollen Gerichte präsentieren, um das Beste aus der Lebensmittelrationierung zu machen. In einem Dorf treten vier Frauen gegeneinander an, alle hoffen auf den Hauptpreis: ein Job als erste weibliche Co-Moderatorin der Sendung. Wie das Schicksal die vier Konkurrentinnen im Laufe des Wettbewerbs zu Freundinnen zusammenschweißt, die sich gemeinsam eine bessere Zukunft schaffen, traf mich mitten ins Herz, Tränen inklusive. Herzerwärmend, wie sich Jennifer Ryans vier Heldinnen ein besseres Leben erkochen und ein Rezept für wahre Stärke entdecken: ihre Freundschaft. MICHAELA JASPERNEITE
(Die Köchinnen von Fenley, Jennifer Ryan KiWi, 18 €, Ü: Pauline Kurbasik)
Im Mahlstrom der Geschichte
Zwei historische Figuren hat Lukas Hartmann aus der Halb-Vergessenheit geholt und ihre Geschichten verschränkt: Sabina Spielrein, junge Russin aus reichem Hause, die zur neuartigen Psychoanalyse zu C.G. Jung nach Zürich geschickt und später Ärztin wird. Und Fritz Platten, einen Schweizer Kommunisten, der Lenins Rückkehr aus dem Schweizer Exil organisierte, ihm später das Leben rettete und noch später unter Stalin ins Straflager gerät. Um es vorwegzusagen: Die beiden sind Zeitgenoss*innen, doch sie werden einander nie begegnen. Aber beide geraten in den Mahlstrom der Weltkriege und Revolutionen der 1920er- bis 1940er-Jahre, werden von ihm hochgespült und am Ende verschlungen. Unerwartet lehrreich und richtig spannend! CHRISTINE ELLINGHAUS
(Ins Unbekannte, Lukas Hartmann, Diogenes, 25 €)
Die Abgründe der Seele
Unerschrocken und beunruhigend (gut) leuchtet Nicoletta Verna in ihrem intensiven Romandebüt in die Abgründe der menschlichen Seele. Und auch wenn es bei unseren Empfehlungen erneut um Leben und Tod geht: Es lohnt! Bianca ist sieben, als sie durch ein tragisches Unglück ihre geliebte Schwester verliert. Die Eltern zerbrechen an der Trauer. Bianca verdrängt ihre quälenden Schuldgefühle. Jahre später scheint sie dennoch mit Carlo ein unbeschwertes Leben zu führen, doch Bianca hat Zwangshandlungen entwickelt. Durch Routine(n) versucht sie ihre manischen Zwänge und den Hang zur Perfektion im Zaum zu halten. Vergebens. Und sie verfolgt mechanisch und unbeirrbar einen perfiden Plan. Aufwühlend, spannend und absolut fesselnd. PETRA SCHULTE
(Der Wert der Gefühle, Nicoletta Verna, Folio, 24 €, Ü: Ingrid Ickler)
Existenzielle Fragen
Dass es in Karine Tuils Büchern oft um Recht und Moral geht, liegt vermutlich daran, dass die Schriftstellerin auch Juristin ist. Diesmal nimmt uns die 50-Jährige mit in den Hochsicherheitstrakt des Pariser Justizpalastes, mitten in das aufreibende Leben ihrer Ich-Erzählerin: Alma Revel, 49, Untersuchungsrichterin, so konzentriert, wie kontrolliert, lebt sie für den Job; nicht zuletzt, weil ihre Ehe nur noch besteht, weil sie drei Kinder hat und sie sich ihre heimliche Liebe verbietet. Ihre älteste Tochter ist 23, genauso alt wie Abdeljalil, der, gerade aus Syrien zurückgekehrt, in U-Haft sitzt – von Almas Entscheidung wird abhängen, wie sein Leben weitergeht ... Im notwendig nüchternen Ton der unvoreingenommenen Juristin erzählt Tuil von der existenziellen Frage: Sicherheit oder Freiheit – wie wollen wir leben? SILVIA FEIST
(Diese eine Entscheidung, Karine Tuil, dtv, 23 €, Ü: Maja Ueberle-Pfaff)
True-Crime-Thriller
Zunächst wirkt der Tod der Familie Rheinfeld wie zweifacher Mord und Suizid. Doch war es wirklich der Sohn, der erst seine Eltern und dann sich selbst umgebracht haben soll? Durch ihre nicht-lineare Erzählweise macht Christa von Bernuth ihre Leser*innen erst neugierig, um sie dann tief in gebrochene Familienverhältnisse eintauchen zu lassen. Ein True-Crime-Thriller, der unter die Haut geht. Die Vertrautheit mit den sehr realen Beziehungsdynamiken ist fast gruseliger als das Verbrechen selbst. SELINA JÜNGLING
(Spur 33, Christa von Bernuth, Goldmann, 17 €)
Für Freundschaft ist es nie zu spät
Fast hätte ich Jo Leevers’ unerwartet lebensnahes, feines Debüt verpasst: Henrietta, 32, ist, sagen wir mal so, nicht die Allergefühligste, was Annie, 65, zu schätzen weiß, als „Hen“ ihre Lebensgeschichte im Café Leben aufzeichnen soll. Den beiden bleibt nicht viel Zeit, denn Annie hat Krebs im Endstadium und viel zu erzählen, unter anderem, wie ihre Schwester Kath mit 18 unter ungeklärten Umständen verschwand ... Wie Leevers, ohne Kitsch, aber mit treffsicherem Gefühl, intensiv in gleich mehrere Frauenleben eintaucht, uns Härten zumutet und trotzdem wirklich aufbauend ist, ist ein kleines Wunder. SILVIA FEIST
(Café Leben, Jo Leevers, Droemer, 20 €, Ü: Maria Hochsieder)
Gaias Gabe
Game-of-Thrones-Fans aufgepasst: Hier kommt Gaia Marinos. Nach einer Reaktor-Katastrophe ist die Welt neu geordnet, beherrscht von Männern, es gilt das Recht des Stärkeren. Gaia gerät in Gefangenschaft – einzig ihre Gabe rettet sie vor dem Tod: Sie kann, vielleicht als Letzte, lesen ... Solomonica de Winter hat in ihrer komplexen, faszinierenden Dystopie eine Sprache für Düsternis gefunden, die mich in eine andere Welt versetzt hat. Wobei? Männer an der Macht, Intrigen, Tod und Krieg – kommt mir irgendwie bekannt vor! ANNALENA LÜDER
(Das Gesetz der Natur, Solomonica de Winter, Diogenes, 25 €, Ü: Meredith Barth)
Geschichte einer Verunsicherung
Vater, Mutter, große Schwester, kleine Schwester – die Eltern sind schon lange kein Paar mehr, die Schwestern seit einer Weile nicht sehr nah, aber was ihre Familie ist, das ist für die Ich-Erzählerin klar. Bis eines Abends eine Frau an sie herantritt und sagt: „Wir haben übrigens denselben Vater.“ Und plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Im ersten Band ihrer autofiktionalen Trilogie erzählt Julia Schoch von dieser Erschütterung. Wie wahr ist die Vergangenheit, auf der ihr Leben aufbaut? Und obwohl es keineswegs eine „unehrenhafte“ Geschichte ist und diese neue Schwester nicht mal ein echtes Geheimnis war, gerät die Ich-Erzählerin ins Trudeln. Denn wenn die Vergangenheit ungewiss ist, wie eindeutig ist dann das Leben, in dem sie selbst mit Mann und zwei Kindern steckt? Glänzend erzählte Geschichte einer Verunsicherung. SILVIA FEIST
(Das Vorkommnis, Julia Schoch, dtv, 20 €)
PS: Am 16.2.23 erscheint der zweite Teil: „Das Liebespaar des Jahrhunderts“
„Ich steh auf Berlin“
1980: Jenny verlässt ihr überbehütetes Elternhaus in der westdeutschen Provinz, um ihrer großen Liebe Robert ins raue West-Berlin zu folgen. Die Mauerstadt ist Mekka einer neuen Musikszene: Punkrock, New Wave und NDW bestimmen den Sound der Zeit. Schnell taucht Jenny in die Szene ein und erkennt, was ihr viel wichtiger ist als Robert: Musik machen. Eine großartige Coming-of-Age-Story untermalt mit dem Soundtrack der frühen 80er-Jahre. Rockt! PETRA SCHULTE
(Wir werden Helden sein Ann Stowasser, atb, 14 €)
Fotocredit Buchcover: PR

Hörtipp: Noch mehr zu einzelnen Büchern auf unserer Liste und weitere Leseempfehlungen findet ihr im Podcast unserer Kollegin Silvi Feist "Feiste Bücher".
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